Defamation diffamiert!

Am 20. Jänner hatte in Wien der Film Defamation von Yoav Shamir Premiere (siehe: Tobias Ebbrecht, Es gibt keinen Antisemitismus mehr). Was sich als kritische Bestandsaufnahme aktueller Debatten zum Antisemitismus und seiner aktuellen Bedeutung angekündigt hatte, entpuppte sich als eine weitere demagogische Abrechnung mit Israel und all denjenigen, die den Antisemitismus zu bekämpfen versuchen. Da es diesen nicht mehr gebe - so die zentrale Aussage des Films -, sind seine Opfer und GegnerInnen paranoid - oder sie verfolgen einen hinterhältigen Plan. Shamir in der Pose des Enthüllungsjournalisten und unter Berufung auf so "unbefangene" Zeugen wie Uri Avnery oder Norman Finkelstein: der (immer unberechtigte) Vorwurf des Antisemitismus dient nur dazu, KritikerInnen des Staates Israel mundtot zu machen.

Dass der Filmemacher, wie er sagt, persönlich noch keinen Antisemitismus erfahren musste, verleitet ihn dazu, anderen diese Erfahrung abzusprechen. Gerade in Österreich, wo zuletzt die Anzahl der gemeldeten antisemitischen Vorfälle von 46 (2008) auf 200 (2009) gestiegen ist, mutet die Leugnung des Antisemitismus aber wie blanker Hohn.

Unfreiwillig widerspricht sich Shamir auch gleich selbst - mit seinem Portrait von Abraham Foxman, dem Direktor der Anti-Defamation League (ADL), welches ihm zum ressentimentgeladenen Zerrbild geraten ist. Im Film wird suggeriert, dass Foxman die Halluzination eines grassierenden Antisemitismus aufrechterhält, um seine Organisation mit Unsummen an - eigentlich erschwindeltem - Geld am Leben zu erhalten und sich so ein schönes Leben in Luxus und mit Reisen um die ganze Welt gönnen zu können. Faul, mächtig, verschlagen und mit unrechtmäßig erworbenem Geld sein Luxusleben bestreitend - diese Darstellung eines US-amerikanischen Juden fäll hierzulande wohl auf fruchtbaren Boden.

Alles in allem liefert Shamir bloß eine filmische Variante des Ressentiments, wonach "die Juden den Holocaust für ihre eigene Zwecke" ausnützten. In Österreich denken dies ohnehin schon 45 Prozent. Und 55 Prozent sind der Meinung, dass "die Juden zu viel darüber reden, was ihnen im Holocaust geschehen ist".

Was den Film hierzulande daneben so problematisch macht, ist seine offen erhobene Forderung nach einem "Schlussstrich" unter die Auseinandersetzung mit der Shoah und die Erinnerung an ihre Opfer. Darin trifft er sich mit jenen fast 30 Prozent der ÖsterreicherInnen, die "den Holocaust vergessen" möchten. Der Film unterläuft so jede - immer wieder im Einzelnen zu kritisierende - Erinnerungskultur und jedes (pädagogische) Engagement gegen Antisemitismus, das ja oft zunächst einmal das entsprechende Problembewusstsein schaffen muss. Diese fehlende Eignung für den Unterricht ist nicht zuletzt angesichts der auf der Website des Filmes angekündigten "Schulunterlagen für Österreich" zu betonen.


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