Karl Pfeifer

Geschichtsmanipulation in österreichischem Schulbuch


Durch die Vergangenheit zur Gegenwart, VERITAS-Verlag,
Linz, 1. Auflage (2003) ISBN 3-7058-6110-7
Mit Bescheid des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, GZ 44.533/1-V/1/03 als für den Unterrichtsgebrauch an allgemein bildenden höheren Schulen für die 8. Klasse im Unterrichtsgegenstand Geschichte und Politische Bildung geeignet erklärt.


Die meisten Medien und einige Politiker in Österreich stehen auf dem Standpunkt, dass der Holocaust von irgendwelchen "Nazi" begangen wurde, mit denen man hier nicht das Geringste zu tun hatte, dass aber Österreicher das Recht haben, den israelischen Juden vorzuwerfen, sie hätten unter den Bedingungen des Nahen Ostens keinen perfekten demokratischen Staat eingerichtet. Einen Staat, den es auch anderswo nicht gibt. So harmoniebedürftig man zu Hause ist, so radikal ist man in der "Kritik" des jüdischen Staates, an dem man kein gutes Haar lässt.
In diesem Sinne wurde in einem österreichischen Schulbuch ein Kapitel über den Nahen Osten verfasst, das mehr über die Vorurteile der Verfasser als über die Realität des Konflikts aussagt. Die Autoren wollen durch Opfer-Täter Umkehr einen Schlussstrich ziehen. Suggeriert wird: So wie früher die "Nazi", so sind heute die "Israeli zu Tätern" geworden.
Den Autoren ist es gelungen, nicht nur einseitig zu agitieren, sondern auch gravierende Faktenfehler anzubringen.

Mehr noch als die Faktenfehler, die hier dokumentiert werden, erschüttert die böswillige Tendenz, die bereits auf den beiden Seiten des Buchumschlages zum Ausdruck kommt. Wir sehen unten eine Szene aus dem österreichischen Parlament, oben die selig gesprochene katholische Nonne Mutter Teresa sowie den Pastor Martin Luther King (1), der gegen die Rassendiskriminierung kämpfte, und in der Mitte zwischen den beiden ausgerechnet ein Fahrzeug der israelischen Polizei, zwei israelische Polizisten, die mit dem Gewehr im Anschlag auf flüchtende palästinensische Kinder zielen. Den Schülern soll vermittelt werden, was 69 Prozent der Befragten in Österreich ohnehin glauben: Israel sei die größte Gefahr für den Frieden in der Welt.

Die Autoren behaupten: "Keine Region hat wohl in den letzten Jahrzehnten so viel Gewalt erlebt wie der Nahe Osten."
Diese Behauptung stimmt nicht, beispielsweise kam es in Kambodscha und Ruanda zu Genoziden.

Die Autoren schreiben: "In Palästina, bis 1918 ein Teil des Osmanischen Reiches, lebten um 1880 rund 15.000 Juden unter 440.000 Arabern".
Erstens gab es im Osmanischen Reich kein "Palästina". Nach der Revolte des Bar Kochba (131-135 u.Z.) nannten die Römer dieses Land "Syria Palaestina", später dann nur Palaestina.
Erst die Briten nannten das Gebiet Palestine, Arabisch Filastin und Hebräisch Erez Israel, was auf jeder Münze während der Mandatsherrschaft auch zu lesen war.
Zweitens gab es im Osmanischen Reich keine zuverlässigen Volkszählungen und die Zahl der Juden ist viel zu niedrig angegeben, wie das auch in der arabischen Propaganda üblich ist.

Weiter behaupten die Autoren: "Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte sich die Einwanderung europäischer Juden, getragen von der Idee des Zionismus, der seine Wurzeln im europäischen Nationalismus und im Antisemitismus hat."
Hier werden zwei vollkommen verschiedene Sachen vermischt. Der europäische Nationalismus Ende des 19. Jahrhunderts hatte in einigen Ländern, z. B. im italienischen Risorgimento, durchaus fortschrittliche Züge und der politische Zionismus war von diesem inspiriert. Anders der Antisemitismus, der Juden aus der Gesellschaft ausgrenzte bzw. die halbherzige Emanzipation rückgängig machen wollte. Hier hätten die Autoren die Möglichkeit gehabt, auf den christlich-sozialen und deutschnationalen Antisemitismus in Österreich hinzuweisen, der mit dazu beigetragen hat, dass der politische Zionismus in Wien entstand.

Die Behauptung der Autoren, dass Theodor Herzl 1896 "die Idee des Zionismus (Rückkehr der Juden in das Gelobte Land)" begründet habe und dass damit die "jüdische Einwanderung beginnt", stimmt auch nicht. Herzl war der Begründer der zionistischen Organisation, somit des politischen Zionismus. Doch Leo Pinsker hat bereits 1882 die "Autoemanzipation" befürwortet und die erste Welle der modernen jüdischen Einwanderung begann bereits 1882.

Die Autoren schreiben, dass 1920 "Palästina [...] gemeinsam mit Transjordanien als Völkerbundmandat unter britische Verwaltung [kommt]" und greifen damit der Geschichte vor. Das heutige Jordanien wurde erst 1923 als Transjordanien von Palästina abgetrennt und Juden durften sich dort nicht niederlassen. Doch auch das erfahren die Schüler nicht.

"Die steigenden Einwanderungszahlen blieben jedoch nicht ohne Folgen: Bereits 1929 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern."
Bereits im April 1920 wurden bei antijüdischen Unruhen fünf Juden von Arabern getötet und über 200 verwundet. (2) Im Mai 1921 wurden von Arabern in Jaffa und in fünf Dörfern 47 Juden getötet und 147 verwundet. (3)
Und wie kam es zu dem großen Pogrom von 1929? Im September 1928 haben die Juden an der Klagemauer zwischen Männern und Frauen einen Vorhang angebracht. Die Moslems sahen darin eine unerwünschte Erneuerung und ein paar Tage später präsentierte der Oberste Moslem Rat ein Memorandum, in dem behauptet wurde, dass "die Juden" die Al Aksa Moschee übernehmen wollten. Der "Nationalrat" (Va'ad Leumi) der Juden richtete einen offenen Brief an die moslemische Gemeinschaft, in dem ausdrücklich jede Absicht einer Schmälerung der moslemischen Rechte auf ihre heiligen Stätten dementiert wurde. Zwischen dem 23. und dem 29. August [1929] erfolgten mörderische Angriffe von Arabern gegen Juden in Jerusalem, Hebron, Safad und in ländlicher Gegend. Während dieser Angriffe wurden 133 Juden getötet (mehr als 60 in Hebron) und 339 verletzt. (4) Diese arabischen Pogrome, denen meistens antizionistische orthodoxe Juden zum Opfer fielen, werden von den Schulbuchautoren als gewaltsame "Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern" verharmlost.

Und wie stand das mit der "steigenden Einwanderungszahlen"?
Die von der britischen Regierung herausgegebene "History of Palestine" gibt für das Jahr 1927 2.718, für 1928 2.178 und für 1929 5.249 Einwanderer an. Nicht berücksichtigt ist bei diesen Zahlen die Rückwanderung von Juden nach dem wirtschaftlichen Rückschlag 1927. Die Autoren sprechen von "steigenden Einwanderungszahlen" gerade in den Jahren, als die Zahl der Einwanderer rapide zurückging.
In den Jahren zuvor, also 1924-1926 (12.856, 33.801 und 13.081), kam es tatsächlich zu einer verstärkten Einwanderung in das Land, deren Ursache aber nicht irgendwelche zionistische Bestrebungen waren, sondern einerseits die antijüdischen Maßnahmen in Polen und andererseits das In-Kraft-Treten der Johnson-Akte in den Vereinigten Staaten im Jahr 1924, die Juden die Möglichkeit nach Amerika auszuwandern, abrupt verschloss.

Stellen Sie sich ein österreichisches Schulbuch vor, in dem Folgendes stehen würde:
"1. September 1939: Zweiter Weltkrieg zwischen Alliierten und den Achsenmächten. Polen und die UdSSR erobern Zehntausende Quadratkilometer, mehr als zehn Millionen Deutsche fliehen." Ein solches Schulbuch würde - so ist doch zu hoffen - sofort eingezogen. Doch genau diese Methode wurde in diesem 2003 erschienenen Schulbuch angewandt:
"14. Mai 1948: Unabhängigkeitserklärung Israels. Erster israelisch-arabischer Krieg. Israel erobert mehr als 5000 km2. Rund 750.000 Araber fliehen (Palästinenser)."
Der Schüler, der dies liest, denkt unwillkürlich, Israel hat sofort nach der Unabhängigkeitserklärung die Araber angegriffen, um ihr Territorium zu erobern. Nicht erfahren dürfen die Schüler, dass die Armeen der arabischen Nachbarn und des Iraks bereits einen Tag nach der Unabhängigkeitserklärung Israel angegriffen haben.

Beim Suez-Krieg wird darauf hingewiesen, dass dieser sich "gegen Ägypten" richtete.
Die Tatsache, dass Ägypten bereits am 12. September 1955 die Meerenge von Tiran am Ausgang des Roten Meeres und damit den Weg zum Hafen Eilat für israelische Schiffe hat sperren lassen und dass die Flüge der israelischen El Al nach Südafrika eingestellt werden mussten, erfahren die Schüler genauso wenig wie den Fakt, dass an diesem Krieg gegen Ägypten auch Frankreich und Großbritannien beteiligt waren. Wie sie auch nicht erfahren, welche Großmacht welchen Konfliktteilnehmer wann unterstützt hat, obwohl ohne Kenntnis dieser Fakten die Entwicklung nicht verständlich ist. 1948 war sowohl die transjordanische als auch die ägyptische Armee von Großbritannien ausgerüstet und z.T. auch von britischen Offizieren befehligt, während Israel seine Waffen aus dem Ostblock erhielt. Die arabische Propaganda beschuldigte damals Israel, ein "kommunistischer" Vorposten der Sowjetunion zu sein und die USA belegten die kriegsführenden Parteien mit einem Embargo.

"1967: Israel erobert im Sechs-Tage-Krieg Gaza, das Westjordanland, die Golan-Höhen, Ost-Jerusalem und die Sinai-Halbinsel". Nicht geschildert wird von den Autoren, dass Nasser zuvor die Meerenge Tiran (Zufahrt zum israelischen Hafen Eilat) gesperrt und den Abzug der UNO-Friedenstruppen aus dem Sinai gefordert und binnen zwei Tagen erreicht hat.

Interessant ist auch die Art wie "Jüdischer Terror", graphisch hervorgehoben von den Autoren, bereits im Juli 1946 begonnen haben soll, während sie "Schwerste Palästinensische Anschläge seit Beginn der 'Al-Aksa-Intifada'" lediglich auf 2001 und 2002 beschränken, und das obwohl es in den Jahrzehnten zuvor massiven palästinensischen Terror gegeben hat.
Die Tatsache, dass ein palästinensischer Mob am Anfang der zweiten Intifada im Oktober 2000 israelische Soldaten, die sich verfahren hatten und irrtümlich nach Ramallah gelangten, gelyncht hat, war den Autoren auch keine Erwähnung wert.

Die Autoren schreiben: "April 1948: Irgun Männer unter der Führung von Menachem Begin überfallen das arabische Dorf Deir Jassin und metzeln 254 Männer, Frauen und Kinder nieder."
Arabische Pogrome, wie in Hebron 1929, wurden zu "gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern". Die von Mitgliedern des Irgun (Menachem Begin war übrigens nicht darunter) begangene Ermordung von ca. 100 bis 110 Einwohnern von Deir Jassin ist aber ein Gemetzel! Das entspricht vollkommen der palästinensischen Propaganda, die das Massaker von Deir Jassin in den Mittelpunkt ihrer Agitation stellt. Der israelische Historiker Benny Morris schilderte in seinem 1999 erschienenen Buch "Righteous Victims", wie es dazu kam: Ein gepanzertes Fahrzeug des Irgun forderte von den Einwohnern von Deir Jassin in der Nähe von Jerusalem, sie mögen ihre Waffen niederlegen und ihre Häuser verlassen. Unglücklicherweise ist dieser Panzerwagen in einen Graben gefahren und die Verlautbarung wurde von den Dorfbewohnern nicht gehört. Tatsache ist, dass es außer in Deir Jassin nur zu wenigen von Juden begangenen Ausschreitungen gekommen ist. Die politischen und religiösen Führer der Juden verurteilten eindeutig diejenigen, die daran beteiligt waren. Die Jewish Agency sandte dem König von Transjordanien ein Erklärungs- und Entschuldigungsschreiben und David Ben Gurion nahm diesen Vorfall zum Anlass, um im Juni 1948 sowohl die Stern-Gruppe als auch den Irgun aufzulösen.
Einige palästinensische Führer übertrieben den Umfang des Vorfalls und verbreiteten auch das Gräuelmärchen, Juden hätten in Deir Jassin arabische Frauen vergewaltigt. Hussein Khalidi zum Beispiel sagte: "Wir mussten dies sagen, damit die arabischen Armeen kommen und uns von den Juden befreien". Hazam Nusseibi, der damals Journalist war, sagte Jahre später der BBC, dass die wohlbedachte falsche Beschuldigung der Vergewaltigung "unser schwerster Fehler war, denn sobald die Palästinenser hörten, dass Frauen in Deir Jassin vergewaltigt wurden, flohen sie von der Panik ergriffen".
Nicht erwähnt wurden von den Autoren die von Arabern an Juden begangenen Massaker in der Zeit vom Dezember 1947 bis zum April 1948. Hier nur zwei Beispiele: Am 22. Februar sprengten sie in der Jerusalemer Ben Jehuda Straße ein Lastauto, töteten 52 Juden und verletzten 32 schwer. Am 11. März sprengten Araber ein Automobil im Hof der Jewish Agency und töteten 12 Personen.

Fast eine ganze Seite widmen die Autoren der "Ungleichbehandlung von Juden und Arabern" in Israel. Mit keinem einzigen Wort gehen sie auf die komplexen Probleme einer Minderheit ein, die der gleichen Nationalität angehört wie die Feinde des Staates Israel. Dabei werden einige Beispiele krasser Diskriminierung gegeben, aber die vielen Beispiele der wirklichen Gleichberechtigung verschwiegen.
Mit keinem Wort erwähnen die Autoren die Tatsache, dass 1948 an die 150.000 Araber in Israel verbleiben konnten, während keinem Juden gestattet wurde, in den von Arabern beherrschten Gebieten (z.B. in der Altstadt von Jerusalem, wo die Klagemauer steht) zu bleiben bzw. diese zu besuchen. Heute leben über eine Million Einwohner, 19 % der Bevölkerung, in Israel, die zu einer der arabischsprachigen Gruppen (Moslems, Christen, Beduinen, Drusen, Tscherkessen) gehören.
Auch wird nicht erwähnt, dass durch das von der jüdischen Einwanderung angeregte Wirtschaftswachstum in der Mandatszeit auch Araber in das Land einwanderten.
Im Wesentlichen bildet die arabische Bevölkerung eine eigenständige Gruppierung, was durch den Gebrauch des Arabischen, der zweiten Amtssprache Israels, erleichtert wird. In diesem Zusammenhang hätte der Vergleich mit Kärnten gelohnt. Während in Israel zwei- und dreisprachige Ortstafeln und Verkehrsschilder die Regel sind, können trotz Staatsvertrags und 58 Jahre Frieden in Kärnten an vielen Orten die zweisprachigen Ortstafeln nicht aufgestellt werden. Ein gesondertes arabisch-drusisches Schulsystem, arabische Massenmedien, arabische Literatur und Theater tragen zur Eigenständigkeit bei.
Unabhängige muslimische, drusische und christliche Gerichte sind zuständig für Angelegenheiten des Personenstandrechts. Auch wenn viele Sitten und Gebräuche der Vergangenheit immer noch Teil des Alltags sind, haben doch Autoritätsverlust von Stammesorganisation und Patriarchat sowie die Teilnahme am demokratischen Prozess Israels zu einem raschen Wandel in Anschauungen und Lebensstil geführt.
1920-21 gab es in diesem Gebiet lediglich 171 öffentliche arabische Schulen mit 11.000 Schülern, das waren sieben Prozent der arabischen Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren.
1936-37 gab es 55.000 arabische Schüler und 22.300 arabische Schülerinnen, d.h. 39 Prozent der Buben bzw. 17 Prozent der Mädchen im Alter von fünf bis 14.
1945-46 gab es 91.000 arabische Schüler und 33.900 arabische Schülerinnen in dieser Altersgruppe, d.h. 57 Prozent der Buben und 23 Prozent der Mädchen.
Erst Israel hat die allgemeine Schulpflicht eingeführt und durchgesetzt.
Die gesetzliche Gleichstellung der Frau sowie das Verbot von Polygamie und Kinderehe trugen zu einer erheblichen Emanzipation der arabischen Frau bei.
Der arabische Bevölkerungsteil ist sowohl auf nationaler wie kommunaler Ebene politisch aktiv. Arabische Bürger führen die politischen und verwaltungstechnischen Angelegenheiten ihrer Städte. Die von ihnen gewählten Repräsentanten in der Knesset vertreten die arabischen Interessen und arbeiten darauf hin, den Status von Minderheiten sowie den Anteil an staatlicher Unterstützung zu verbessern.
Seit der Gründung Israels wurden arabische Bürger mit Rücksicht auf ihre familiären, religiösen und kulturellen Bindungen zur arabischen Welt von der Wehrpflicht befreit. Gleichzeitig wird zum freiwilligen Militärdienst aufgerufen, wozu sich jedes Jahr einige entschließen. Die Männer der drusischen und tscherkessischen Minderheit sind auf eigenen Wunsch seit 1957 wehrpflichtig und die Zahl der als Berufssoldaten dienenden Beduinen wächst ständig.
Diese Fakten werden von den Autoren vollkommen verschwiegen, denn ihnen geht es nur darum, den Staat Israel anzuschwärzen und ein schwarz-weißes Bild von einer komplexen Realität zu malen, damit die Schüler den jüdischen Staat verdammen.

Die Autoren geben die Quellen ihrer Arbeit an und es fällt auf, dass fast alle von Journalisten stammen. So zum Beispiel die Folgende von Gerhard Schönberner:
"Dem Staat Israel ist es über lange Zeit gelungen, die allgemeine Empathie für die europäische Judenheit, von der nur ein Drittel dem Nazi-Genozid entkommen ist, auf sich zu lenken und die Rolle dessen, der nur Opfer ist und das Recht auf Beistand hat, für sich zu beanspruchen. So war die Welt bereit, das Bild von Entstehung und Aufbau des jüdischen Staates für wahr zu halten, das dieser selbst verbreitete, und alle Erscheinungen, die dazu in Widerspruch standen, zu übersehen oder als Einzelfälle abzutun." Und es folgt der obligate Hinweis, "dass die Israelis auch Täter sind".
Aha, denken sich die Schüler, da gab es also in Österreich nach 1945 eine Empathie für die europäische Judenheit. Und wie haben diese bösen Israelis dies vergolten? Sie haben der Welt vorgeschwindelt, dass sie den überlebenden Juden eine Heimat bieten.
Die Autoren hätten es aber wissen müssen, dass es in Österreich nach 1945 keine "allgemeine Empathie für die europäische Judenheit" gab, sondern antisemitische Demonstrationen gegen jüdische Überlebende. (6) Bereits im August 1945 entschuldigte der damalige sozialdemokratische Staatschef Karl Renner die kleinen Nationalsozialisten, die doch keinen Weltkrieg wollten, sondern nur, dass man den "Juden was tut". (7)
Erinnert werden muss auch an den bekannten Ausspruch des sozialdemokratischen Innenministers Oskar Helmer, der zur Entschädigung der jüdischen Opfer meinte: "Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen". (8) Und tatsächlich ist das der Republik Österreich, die auf die biologische Lösung gesetzt hat, bis heute gelungen.
Vor allem aber wird in obigem Zitat suggeriert, dass Nationalsozialisten und deren jüdische Opfer (und ihre Nachkommen) gleichermaßen "Täter" seien. Diese skandalöse Analogiebildung findet sich vor allem in der arabischen Propaganda, welche gar noch einen Schritt weiter geht und den Zionismus mit dem Nationalsozialismus gleichsetzt. Die Gefahr obigen Zitates liegt darin, dass sich vermutlich einige Schüler denken, die "Juden" seien auch nicht besser als die Nazi ...

Wie oberflächlich dieser Text ist, geht auch aus einem Zitat aus dem Jahr 1991 hervor, das unter dem Titel "Exkurs: Holocaust" gebracht wird und in dem die Behauptung steht, "das NS-Regime" hätte "auf der Wannsee-Konferenz 1942 die planmäßige Vernichtung der europäischen Juden" beschlossen und danach durchgeführt, was einerseits nicht stimmt (9), denn diese Vernichtung begann bereits 1941, andererseits aber ziemlich schnoddrig formuliert ist, denn Millionen Menschen zu berauben, zu deportieren und zu ermorden, war ja nicht irgendeine administrative Maßnahme, die erst 1942 getroffen wurde und an der dann lediglich ein paar Beamte beteiligt gewesen sind. Die Beraubung der österreichischen Juden begann am Tag des "Anschlusses" im März 1938!
Doch dieser "Exkurs: Holocaust" hat ja nicht die Absicht, irgendetwas über die Täter zu sagen, sondern den Opfern und ihren Nachkommen vorzuwerfen, dass sie, vor "diesem Hintergrund des Holocausts [...] die Gebietsansprüche der Palästinenser vielfach als Vernichtungsdrohung" ansehen. Damit werden implizit die tatsächlichen arabischen Vernichtungsdrohungen verniedlicht.
Wie ernst es demgegenüber den arabischen Judenfeinden war, belegt Hadj Amin el Husseini, der bis heute verehrte Führer der Palästinenser, in seinen Memoiren: "Unsere grundlegende Bedingung für unsere Kooperation mit Deutschland war, eine freie Hand zu erhalten, um alle Juden aus Palästina und der arabischen Welt auszurotten. Ich bat Hitler für eine explizite Verpflichtung, uns zu erlauben, das jüdische Problem in einer Art zu lösen, das unseren nationalen und rassischen Bestrebungen entspricht und gemäß den neuesten von Deutschland entwickelten wissenschaftlichen Methoden zur Behandlung der Juden. Die Antwort, die ich erhielt war: 'Die Juden gehören Ihnen.'" (10)
Und was ist es anderes als drohende Vernichtung, wenn die Selbstmordattentäter, denen es nur darauf ankommt, ein Maximum von jüdischen Menschen zu töten, von der überwiegenden Mehrheit der Palästinenser bejubelt werden, wenn es unter den Palästinensern keine Friedensbewegung gibt.

Abschließend noch zwei Beispiele für den Umgang der Autoren mit der jüngeren österreichischen Geschichte.

Beim Ringen um die Autonomie in Südtirol werden nur die "aus katholisch-antinazistischen Widerstandskreisen" stammenden Aktivisten erwähnt. Diejenigen, die aus dem rechtsextremistischen, ja neonazistischen Eck kamen, werden tunlichst verschwiegen.
Unter dem Titel "Die Schatten der Vergangenheit - die Affäre Waldheim" finden wir folgende Zeilen: "Als die ÖVP 1985 Dr. Kurt Waldheim als Kandidaten für den Präsidentschaftswahlkampf aufstellte, machte die SPÖ-Führung Waldheims bislang verschwiegene Kriegsvergangenheit am Balkan und seine Mitgliedschaft in NS-Organisationen zum Wahlkampfthema. Die sollte ihm Wählerstimmen kosten. Daraus entwickelte sich eine Kampagne, deren Steuerung den Initiatoren entglitt.
Dafür sorgten die systematischen Enthüllungen im Nachrichtenmagazin profil und in weiterer Folge auch in der internationalen Presse. Washington Post und New York Times - Letztere bekam Dokumente vom World Jewish Congress zugespielt - veröffentlichten die Information, dass Waldheim der Reiter-SA angehört hatte, was er immer bestritt. Die WJC-Aktivitäten blieben auf die inneramerikanische Politik nicht ohne Wirkung. Am 25. März 1986 beantragte der WJC die Eintragung Waldheims in die Watchlist des amerikanischen Justizministeriums." Die Tatsache, dass damals eine antisemitische Wahlkampagne für Dr. Kurt Waldheim gestartet wurde, wird bezeichnenderweise ebenfalls verschwiegen.

Die Autoren waren offensichtlich dem Gegenstand nicht gewachsen, statt auf seriöse Geschichtswerke verließen sie sich lieber auf tagespolitische, zumeist tendenziöse Quellen. Zur politischen Bildung haben sie mit dem Kapitel "Naher Osten" keinen Beitrag geleistet.

Anmerkungen:

1) Es entbehrt nicht einer Ironie, dass gerade Martin Luther King sich explizit gegen den "Antizionismus" wandte, dem die Autoren des Schulbuches implizit frönen. In seinem "Brief an einen antizionistischen Freund" schrieb er: "Du erklärst, mein Freund, daß Du kein Judenhasser, sondern bloß 'Antizionist' bist. Und ich sage, lasse die Wahrheit von hohen Berggipfeln erklingen, lasse sie in allen Tälern der grünen Erde Gottes wiederhallen: Wenn Menschen Zionismus kritisieren, meinen sie Juden - dies ist Gottes eigene Wahrheit.
Antisemitismus, der Hass auf das jüdische Volk, war und bleibt ein dunkler Fleck auf der Seele der Menschheit. In dieser Hinsicht sind wir einer Meinung. Und Du sollst wissen: Antizionismus ist dem Wesen nach antisemitisch und wird es immer sein.
Warum? Du weißt, daß Zionismus nichts Geringeres als der Traum und das Ideal des in sein eigenes Land zurückkehrenden jüdischen Volkes ist. Das jüdische Volk, lehrt uns die Heilige Schrift, lebte einst glücklich in einem blühenden Staat im Heiligen Land. Von dort ist es von Römischen Tyrannen vertrieben worden, von den gleichen Römern, die Unseren Herrn grausam ermordet haben. Vertrieben aus seiner Heimat, sein Land in Schutt und Asche gelegt, gezwungen, durch die ganze Welt zu wandern, litt das jüdische Volk unter der Knute jedes Tyrannen, der gerade über es herrschte.
Das Volk der Schwarzen, mein Freund, weiß, was es bedeutet, die Qualen der Tyrannei von Herrschern, die wir nicht gewählt haben, zu ertragen. Unsere Brüder in Afrika haben um die Anerkennung und Verwirklichung unseren natürlichen Rechts, in Frieden unter unserer eigenen Souveränität in unserem eigenen Lande zu leben, gefleht, um sie gebeten, sie gefordert - nach ihr VERLANGT.
Wie einfach sollte es doch jedem, der dieses unveräußerliche Recht aller Menschen schätzt, fallen, das Recht des jüdischen Volkes, in seinem alten Land Israel zu leben, zu verstehen und zu unterstützen. Alle wohlwollenden Menschen jubeln über die Verwirklichung des Versprechens Gottes, Sein Volk in Freude zurückkehren zu lassen, um sein geplündertes Land wiederaufzubauen. Dies ist Zionismus, nicht mehr und nicht weniger.
Und was ist Antizionismus? Die Verweigerung dem jüdischen Volke eines Grundrechts, das wir mit Recht für die Völker Afrikas verlangen und allen anderen Völkern der Welt zugestehen. Die Diskriminierung von Juden, mein Freund, weil sie Juden sind. Kurz gesagt, es ist Antisemitismus.
Der Antisemit freut sich über jede Gelegenheit, seiner Bosheit freien Lauf zu lassen. In der westlichen Welt ist es mit der Zeit aus der Mode gekommen, sich zum Hass auf Juden offen zu bekennen. Der Antisemit muss deshalb ständig nach neuen Formen und Zuhörerschaften für sein Gift suchen. Wie sehr er diese neue Maskerade genießt! Er hasst keine Juden, er ist bloß 'Antizionist'!
Mein Freund, ich beschuldige Dich nicht des absichtlichen Antisemitismus. Ich weiß, daß Du, genauso wie ich, eine aufrichtige Liebe für Wahrheit und Gerechtigkeit und eine Abscheu gegen Rassismus, Vorurteile und Diskriminierung empfindest. Aber ich weiß, dass Du - wie manche andere - in Deinem Glauben, zugleich 'Antizionist' sein und den Grundsätzen, die Du und ich teilen, treu bleiben zu können, fehlgeleitet bist. Lass meine Worte in den Tiefen Deiner Seele wiederhallen: Wenn die Menschen Zionismus kritisieren, meinen sie Juden - Du sollst hier keinen Fehler machen." (M. L. King Jr., Letter to an Anti-Zionist Friend, Saturday Review XLVII (Aug. 1967), S. 76. Nachgedruckt in: M. L. King Jr., This I Believe: Selections from the Writings of Dr. Martin Luther King Jr., New York 1971, S. 234-235)

2) The Political History of Palestine under British Administration (Memorandum by His Britannic Majesty's Government presented in July, 1947, to the United Nations Special Committee on Palestine), published at Jerusalem 1947, S. 3.

3) Ebenda.

4) Ebenda, S. 10.

5) Ebenda, S. 8.

6) Zum Beispiel: Demonstration in Bad Ischl, es handelt sich um eine von KPÖ-Mitgliedern veranstaltete antisemitische Demonstration gegen jüdische Displaced Persons, bei der Rufe wie "Hängt die Juden auf" laut wurden.

7) Kabinettsratsprotokoll vom 29. August 1945, Karl Renner zur "Nazifrage": "Ich finde, daß wir in Bezug auf die Behandlung des Naziproblems in eine kritische Situation kommen. Ich will nicht behaupten, daß ich damit recht habe, aber die Sache ist nach meinem Gefühl doch so, daß alle diese kleinen Beamten, diese kleinen Bürger und Geschäftsleute bei dem seinerzeitigen Anschluß an die Nazi gar nicht weittragende Absichten gehabt haben - höchstens, daß man den Juden etwas tut -, vor allem aber nicht daran gedacht haben, einen Weltkrieg zu provozieren." Zit. nach Knight, Robert (Hg.): "Ich bin dafür, die Sache in die Länger zu ziehen." Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945-52 über die Entschädigung der Juden, Frankfurt am Main 1988, S. 114.

8) Ebenda, S. 197

9) "Entgegen verbreiteter Ansicht wurde bei der Wannseekonferenz der Judenmord nicht 'beschlossen', dazu hätte auch die Kompetenz der Konferenzteilnehmer nicht gereicht." Wannsee-Konferenz, Seite 794, Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 2. Auflage München 1998.

10) Sarah Honig, Fiendish Hypocrisy II: "The Man from Klopstock Street", Jerusalem Post, April 6, 2001. Ähnliches findet man auch in den Dokumenten der deutschen Außenpolitik 1918-1945, Archiv des Deutschen Außenamtes, Serie D, XIII, no 515, Washington D.C. U.S. Government Printing Office, 1949, S. 881-885.


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