Konstellationen des Antisemitismus nach dem 7. Oktober
Avi Rybnicki hat den Pogrom vom 7. Oktober 2023 als das bezeichnet, was er war – „ein Gemetzel in der Tradition des Todeskultes des Islamischen Staates“ (www.derstandard.at/story/3000000193349/wir-fortschrittlichen-israelis-fuehlen-uns-ziemlich-allein). Viele derjenigen, die das Gemetzel nicht einfach leugnen, relativieren es. Etwa indem sie unter dem Vorwand, verstehen zu wollen, seinen Kontext betonen – und meist bei der (Mit-)Schuld der Opfer landen. Linke aus dem Milieu des Antiimperialismus gehen noch weiter und feiern die antisemitische Pogrom-Gewalt als „antikolonialen Widerstand“. Aber das ist nur die Spitze des Eisberges, darunter staut sich die massenhafte Verweigerung der Empathie.
Diese weit verbreitete Empathielosigkeit kennzeichnete schon den Umgang mit der Shoah und ihren Opfern. Die Abwehr der Erinnerung und Verantwortung setzte neue antisemitische Aggressionen frei. In diesem sekundären Antisemitismus werden die Opfer zu Täter:innen gemacht, ihnen wird entweder eine (Mit-)Schuld an ihrem Leiden gegeben oder es wird ihnen vorgeworfen, sie würden dieses für sich und ihre Zwecke instrumentalisieren oder – noch offener antisemitisch – daran verdienen. Das Konzept des sekundären Antisemitismus erlaubt es, den Hass auf Jüdinnen und Juden nach dem antisemitischen Verbrechen zu verstehen. Je größer oder grausamer dieses, desto mehr Menschen suchen nach der Schuld, die sie den Opfern geben können.
Solches blaming the victims betreiben vor allem jene, die sich stark mit dem palästinensischen „Widerstand“ identifizieren. Sie können den Gedanken an den antisemitischen Furor der Hamas und anderer islamistischer Gewalttäter keine Sekunde ertragen – sofern sie nicht selbst von ihm erfasst sind. Es hat aber auch etwas Entmündigendes, den Mördern und Täter:innen die Schuld zu nehmen und ihnen niedrige Motive abzusprechen, nur weil sie „Palästinenser:innen“ sind.
Es gibt aber auch viele, die sich gegen diese Schuldumkehr wehren, die Empathie zeigen – mit allen Opfern der Hamas in Israel und in Gaza. Wir können und wollen den vielen Kommentaren und Texten zum 7. Oktober und den Folgen nicht mehr viel hinzufügen und haben stattdessen einige von ihnen gesammelt:
Elfriede Jelinek: Kein Einer und kein Andrer mehr.
https://www.elfriedejelinek.com/
Thomas von der Osten-Sacken (12. 10. 2023): Ziel der Hamas: Zivilisten massakrieren. Mit ihrer Terroraktion demonstrierte die Hamas einmal mehr, worum es ihr einzig geht: Um Massenmord an Israelis und Juden.
https://www.mena-watch.com/ziel-der-hamas-zivilisten-massakrieren/
Isolde Vogel (13. 10. 2023): Wie der Terror auch im Westen verherrlicht wird. Der antizionistische Antisemitismus, der seit dem Anschlag der Hamas gerade wieder verstärkt zutage tritt, ist schockierend. Überraschend ist er nicht. Wegsehen und Relativieren wird toleriert – bis in die Wissenschaftsgemeinschaft.
https://www.derstandard.at/story/3000000190914/wie-der-terror-auch-im-westen-verherrlicht-wird
Mouhanad Khorchide (14. 10. 2023): Wie der Nahostkonflikt unsere Gesellschaft spaltet. In der arabischen Welt gilt die Hamas Vielen als Widerstandskraft. Verurteilungen und Verbote sind wichtig, genügen allein aber nicht. Gezielte Bildungsmaßnahmen, auch in Österreich, sind unerlässlich.
https://www.derstandard.at/story/3000000191066/wie-der-nahostkonflikt-unsere-gesellschaft-spaltet
Stefan Frank (20.10.2023): Sadistischer Mord, belohnt von Europa. Die Palästinensische Autonomiebehörde wird allein in diesem Monat über zwei Millionen Euro als Belohnung an die Terroristen für die Beteiligung an den Morden israelischer Zivilisten und den Überfall auf Israel ausschütten.
https://www.mena-watch.com/sadistischer-mord-belohnt-von-europa/
Florian Markl (20. 10. 2023): Der Wille zum Judenmord. Wer den barbarischen Terror der Hamas durch angebliches israelisches Fehlverhalten erklärt, blendet den wahren Grund aus: die Ideologie der Terrororganisation und ihren auf Vernichtung zielenden Antisemitismus.
https://www.derstandard.at/story/3000000191916/der-wille-zum-judenmord
Maximilian Gottschlich (24. 10. 2023): Der antisemitische Spin der Hamas. Der Nahostkonflikt facht den Hass auf Israel und die Jüdinnen und Juden auch im Westen an. Die zynische Strategie der Terrororganisation geht auf.
https://www.derstandard.at/story/3000000192365/der-antisemitische-spin-der-hamas
Beatrice Frasl (27. 10. 2023): Was gesagt werden muss. Was soll man sagen, wenn Menschen, die sich selbst als „progressiv“ oder als „links“ bezeichnen, das Massaker der Hamas in Israel nicht verurteilen, sondern gutheißen?
https://www.wienerzeitung.at/a/beatrice-frasl-was-gesagt-werden-muss
Stefan Grissemann und Clemens Neuhold (30. 10. 2023): Hass mit links: Wieso der Antisemitismus gerade in den „progressiven“ Milieus boomt. Der Krieg im Nahen Osten hat im Kunstbetrieb und in sich emanzipatorisch wähnenden Zirkeln eine erschreckende Nähe zu antisemitischen Positionen offenbart. Dahinter stehen falsch verstandene postkoloniale Theorien – und die Romantisierung des Globalen Südens.
https://www.profil.at/kultur/hass-mit-links-wieso-der-antisemitismus-gerade-in-den-progressiven-milieus-boomt/402650921
Eric Frey (30. 10. 2023): Antikolonialismus führt Linke bei der Hamas auf den Irrweg.
Eine Ideologie, die die Welt in gute Schwarze und böse Weiße teilt, macht Islamofaschisten zum Verbündeten und Israel zum Feindbild.
https://www.derstandard.at/story/3000000193213/antikolonialismus-fuehrt-linke-bei-der-hamas-auf-den-irrweg
Eva Illouz (30. 10. 2023): „Die internationale Linke hat es versäumt, Mitgefühl zu zeigen.“ Die Soziologin Eva Illouz über das Versagen Benjamin Netanjahus, die Zukunft der israelischen Gesellschaft und die Gräueltaten der Hamas.
https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/soziologin-eva-illouz-die-internationale-linke-hat-es-versaeumt-mitgefuehl-zu-zeigen-92645730.html
Gerald Matt (31. 10. 2023): Wider den Antisemitismus in Kunst und Kultur. Der Kunstbetrieb fördert ein Klima der Dämonisierung Israels – Stichwort Documenta. Terrorglorifizierende Aussagen kamen auch jetzt wieder aus der Kunstszene. Das muss entschieden bekämpft werden.
https://www.derstandard.at/story/3000000193214/gerald-matt-wider-den-antisemitismus-in-kunst-und-kultur
Avi Rybnicki (1. 11. 2023): Wir fortschrittlichen Israelis fühlen uns ziemlich allein. Nach dem brutalen und mörderischen Angriff der Hamas auf israelische Zivilistinnen und Zivilisten ist die Haltung eines Teils der Linken und "fortschrittlichen Kräfte" in Europa und den USA nur schwer zu ertragen. Was erwarten sie von Israel?
https://www.derstandard.at/story/3000000193349/wir-fortschrittlichen-israelis-fuehlen-uns-ziemlich-allein
Michael Köhlmeier (2. 11. 2023): Ist denn jeder moralische Kompass verlorengegangen? Die Welt ist für den österreichischen Schriftsteller seit dem Überfall auf Israel am 7. Oktober eine "verkehrte", in der zu seinem Entsetzen Gräueltaten verteidigt werden.
https://www.derstandard.at/story/3000000193579/michael-koehlmeier-ist-denn-jeder-moralische-kompass-verlorengegangen
Alan Johnson (6. 11. 2023): Israelhass: Stimmungsmache fürs Pogrom. Die infame Gleichsetzung von Israelis mit Nationalsozialisten dient nur einem Zweck, nämlich auch bei uns Pogromen den Weg zu bereiten.
https://www.mena-watch.com/israelhass-stimmungsmache-furs-pogrom/
Rusen Timur Aksak (8. 11. 2023): Die falschen Freunde der Palästinenser. Man muss die Demonstrationen im Westen als das bezeichnen, was sie sind: offen demokratiefeindlich, antisemitisch – und damit mehr als beunruhigend. Sie dienen auch nicht der palästinensischen Sache.
https://www.derstandard.at/story/3000000194197/die-falschen-freunde-der-pal228stinenser
José Brunner (16. 11. 2023): „Beide Seiten haben eine berechtigte existenzielle Angst.“ José Brunner ist israelischer Politologe und Wissenschafts¬historiker sowie ein Kritiker der Netanyahu-Regierung. Im Gespräch erklärt er, weshalb die Hamas als Kolonial¬macht zu begreifen ist, warum viele Israelis nicht an Mahnwachen für Geiseln teilnehmen und warum trotz allem Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft besteht.
https://www.republik.ch/2023/11/16/beide-seiten-haben-eine-berechtigte-existenzielle-angst
Robert Meyer (18. 11. 2023): Deutschland, die Palästinenser und das Gerücht der Denkverbote. In ihrem neuesten Essay behauptet die Philosophin Judith Butler, in Deutschland herrsche ein Denkverbot für Israelkritik Unterstützung erhält sie dabei von zahlreichen Aktivisten.
https://www.mena-watch.com/deutschland-palaestinenser-geruecht-denkverbote/
Naomi Grant (20. 11. 2023): Würden Sie sich wirklich für die Palästinenser interessieren…Wären die Demonstranten, die seit dem Hamas-Massaker auf die Straße gehen, wirkliche Freunde der Palästinenser, würden sie erkennen, dass die Hamas und nicht Israel, der größte Feind der Menschen in Gaza ist.
https://www.mena-watch.com/wirklich-fuer-die-palaestinenser-interessieren/
Stefan Frank (21. 11. 2023): Die Hamas verfolgt zwei Ziele: die Zerstörung des Staates Israel und die Tötung so vieler jüdischer Bürger wie möglich. Dass bei ihrem Vernichtungskampf ungezählte palästinensische Zivilisten ebenfalls zu Tode kommen, ist ein von ihr erwünschter Nebeneffekt.
https://www.mena-watch.com/israelis-lieben-das-leben-die-hamas-den-tod/
Joshua Sobol (23. 11. 2023): Ent-Hamasisierung der palästinensischen Bevölkerung dringend gefordert. Das Massaker, das die Hamas am 7. Oktober verübte, war eine praktische Umsetzung ihrer Charta und hat nichts mit den Lebensbedingungen der letzten sechzehn Jahre zu tun, seit denen der Gazastreifen unter der totalitären Herrschaft der Hamas steht.
https://www.mena-watch.com/ent-hamasisierung-palaestinenser-gefordert/
Ingo Elbe / Enrico Pfau (28. 11. 2023): Missbrauch der Holocausterinnerung? Kritik an einem offenen Brief. Ausgerechnet Historiker, die überall ›Verflechtungen‹ von Massenverbrechen, insbesondere von Holocaust und kolonialen Massenmorden, propagieren, verbitten sich die Bezugnahme auf die Shoah im Kontext des antisemitischen Hamas-Massakers.
https://www.mena-watch.com/missbrauch-der-holocausterinnerung/
Doron Rabinovici (3. 12. 2023): Kein redlicher Kampf gegen Antisemitismus ohne Solidarität mit Israels Existenz. Wer jetzt schweigt, braucht keine Sonntagsreden mehr zu halten.
https://www.derstandard.at/story/3000000193722/kein-redlicher-kampf-gegen-antisemitismus-ohne-solidarit228t-mit-israels-existenz
Bernhard Weidinger (7. 12. 2023): Nahostdiskurs an Unis: Amerikanisierung der anderen Art. Nach dem Pogrom der Hamas vom 7. Oktober sorgen fanatisch antiisraelische Bekundungen an Unis für Aufsehen – auch an der Central European University in Wien (Teil 1).
https://www.derstandard.at/story/3000000198601/nahostdiskurs-an-unis-amerikanisierung-der-anderen-art
Ders. (7. 12. 2023): "Antizionismus" und Academia: Das Beispiel Central European University. An der Wiener CEU forcieren manche ein Klima der pauschalen Verdammung Israels bei gleichzeitiger Solidarisierung mit jenen, die es bekämpfen (Teil 2).
https://www.derstandard.at/story/3000000198609/antizionismus-und-academia-das-beispiel-central-european-university?ref=rss
Susanne Schröter (17. 12. 2023): Die akademische Dämonisierung Israels. Damit jüdisches Leben sicher sein kann, muss jede Form des Antisemitismus bekämpft werden. Die jüngsten Vorfälle an Hochschulen bestürzen. Die postkoloniale Theorie ist einer kritischen Revision zu unterziehen.
https://www.derstandard.at/story/3000000199883/die-akademische-d228monisierung-israels
Petra Schaper Rinkel (19. 12. 2023): Universitäten im Nahostkonflikt: Polarisierung entgegentreten! Die Free-Palestine-Aktivistinnen und -Aktivisten verbreiten ihre Parolen lautstark an der Universität und versuchen, alle anderen zum Verstummen zu bringen. Die Hochschulen müssen sich gegen die Polarisierung wehren.
https://www.derstandard.at/story/3000000200206/universit228ten-im-nahostkonflikt-8211-polarisierung-entgegentreten
Walter Manoschek (4. 1. 2024): Die Hamas und linke Irrwege. Der seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober weltweit eruptiv hochgekochte linke Antisemitismus macht fassungslos. Er ist geschichtsvergessen – und Mainstream geworden.
https://www.derstandard.at/story/3000000201758/die-hamas-und-linke-irrwege
Stoppt die Rechten hat sich die antisemitische Querfront gegen Israel genauer angesehen:
https://www.stopptdierechten.at/2023/12/13/antisemitische-querfront-gegen-israel-i/
https://www.stopptdierechten.at/2023/12/14/antisemitische-querfront-gegen-israel-ii/
https://www.stopptdierechten.at/2023/12/15/antisemitische-querfront-gegen-israel-iii/
Zusammenstellung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung:
https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/ugbm/nahost.html
Übersicht der (deutschen) Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/themen/infodienst/543186/wie-umgehen-mit-dem-nahostkonflikt-eine-uebersicht-fuer-schulen-und-bildungseinrichtungen/?pk_campaign=nl2023-12-20&pk_kwd=543186
Info-Folder der Amadeo-Antonio-Stiftung (Berlin):
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2022/09/israelbezogener-antisemitismus-faltblatt.pdf