Danny Leder
Die gefährliche "Weltanschauung" eines Teils der Migrantenjugend
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- Einleitung
- Die Ermordung des Ilan Halimi
- Holocaust-Gedenken statt Aufarbeitung von Kolonialismus und Sklaverei?
- Der "Komiker" Dieudonné M'Bala M'Bala
- Dieudonné schwenkt zu Le Pen, Hooligans funken dazwischen
- Juden in Migrantenvierteln: eine Minderheit in der Minderheit
- Die Vorgeschichte im Maghreb: eine Geschichte der Gegensätze
- Europas expandierende Mächte weckten Emanzipationshoffnungen - eine Parallele zwischen den Juden Nordafrikas und Osteuropas
Einleitung
Unter den zahlreichen, potentiellen Nebenschauplätzen des israelisch-arabischen Konflikts ist, zumindest in Europa, Frankreich das heikelste Terrain. Das hat kaum mit dem Nahost-Kurs der französischen Staatsführung, der Berichterstattung der örtlichen Medien oder der Einstellung der französischen Mehrheitsbevölkerung zu tun, sondern ist vielmehr das Ergebnis des Zusammentreffens von kolonialhistorisch bedingten, gewichtigen ethnisch-religiösen Spannungsfaktoren und einer seit über zwanzig Jahren andauernden sozialen Krise.
So zählt kein anderes Land in Europa derartig viele Moslems (annähernd fünf Millionen) und Juden (rund 600.000). Beide Bevölkerungsgruppen stammen mehrheitlich aus Frankreichs Ex-Kolonien im Maghreb, dem arabischen Nordwestafrika, und leben teilweise heute noch, Tür an Tür, in jenen städtischen Randzonen, die am stärksten unter sozialer Zerrüttung leiden.
In diesem Kontext kam es in Frankreich zu den meisten antijüdischen Vorfällen, die in den Jahren 2000 bis 2005 in Europa, parallel zur zweiten palästinensischen Intifada, registriert wurden. Der überwiegende Teil der Übergriffe gegen Juden wurde von Jugendlichen aus moslemischen Einwandererfamilien aus Nord- und Schwarzafrika verübt und ereignete sich in einer Grauzone zwischen emotionaler Strahlwirkung des Nahost-Konflikts, radikal-islamischer Propaganda, archaischer, aus dem Maghreb herrührender Stigmatisierung der Juden, familiärer Verwahrlosung sowie genereller Jugendgewalt in sozialen Krisenzonen.
Nach einer anfänglichen Phase des Zögerns und der Hilflosigkeit reagierten Frankreichs Staatsführung und Behörden besonders energisch auf antijüdische Übergriffe, woraufhin 2005 ein Rückgang dieser Vorfälle verzeichnet wurde. Dabei dürfte allerdings auch die zeitweilige Entspannung im Nahost-Konflikt rund um den israelischen Rückzug aus Gaza eine Rolle gespielt haben.
Diese ansatzweise Entspannung wurde aber im Februar 2006 durch eine unglaublich grausame Tat jäh unterbrochen, die sich genau an der Schnittstelle zwischen brachialster Jugendkriminalität und antijüdischem Ressentiment ereignete: die dreiwöchige Entführung und qualvolle Ermordung eines jungen Juden durch eine Pariser Vorstadtbande. Rahmenbedingungen und Tathergang dieses Verbrechens signalisierten die Verfestigung bei einem Teil der franko-arabischen, franko-afrikanischen und franko-karibischen Vorstadtjugend einer gefährlich-geläufigen anti-jüdischen "Weltanschauung". Als charismatischer Träger dieser Ideologie hatte sich der populärste schwarze Komiker und Bühnenautor Frankreichs, Dieudonné M'Bala M'Bala, profiliert. Der Judenhass dürfte auch die eigentliche Grundlage gewesen sein für die spektakuläre Annäherung zwischen M'Bala M'Bala und dem weiterhin bedrohlich populären Rechtsaußen-Tribun Jean Marie Le Pen, die im November 2006 Frankreichs Öffentlichkeit überraschte.
Am 13. Februar 2006 wurde Ilan Halimi, ein 23-jähriger Jude, gefesselt, geknebelt und nackt in der Nähe eines Pariser Vorstadtbahnhofs gefunden. Sein Körper war mit Schnitt- und Brandwunden übersäht. Er starb noch während seiner Einlieferung ins Krankenhaus.
Halimi, der als Verkäufer in einem Telefongeschäft gearbeitet hatte, war drei Wochen zuvor von einem Mädchen zu einem Rendezvous gelockt und dort von einer Bande junger Vorstädter überwältigt worden. Die Entführer hielten ihn im Keller eines Plattenbaus gefangen, während sie von seiner Familie Lösegeld forderten. Die Mutter, eine Angestellte mit einem kleinen Einkommen und Alleinerzieherin von drei Kindern, konnte erst die geforderte Summe nicht auftreiben. Als der geschiedene Vater doch noch das Geld zusammenbrachte, scheiterte die Übergabe an der chaotischen Vorgangsweise der Entführer.
Nach Auffliegen der Entführerbande wurde deutlich, wie sehr bei diesem Verbrechen antijüdische Klischees und Judenhass ins Gewicht gefallen waren. Der Chef der Tätergruppe und mutmaßliche Mörder von Halimi, der 25-jährige Franko-Afrikaner Youssouf Fofana, hatte, laut Aussagen festgenommener Komplizen, seine ausdrückliche Absicht, einen Juden zu entführen, folgendermaßen begründet: "Die Juden sind die Könige. Sie fressen das Geld des Staats, während der Staat uns, Schwarze, als Sklaven betrachtet."
Nach der Ermordung Halimis war Fofana in die Heimat seiner Eltern, die Elfenbeinküste, geflüchtet. Dort unternahm er allerdings keine Anstalten, um sich zu verstecken, sondern gab in einem Restaurant, im Beisein seiner Freundin, einem französischen TV-Team ein Interview: darin bekannte er sich zur Entführung Halimis, versuchte aber die Schuld an der Ermordung des Entführten auf seine - zumeist jüngeren - Komplizen abzuwälzen.
Gegenüber der Öffentlichkeit und den Behörden der Elfenbeinküste präsentierte sich Fofana als eine Art Widerstandskämpfer der Schwarzen in Frankreich gegen den Rassismus der Weißen. Auf Druck der französischen Regierung wurde er aber festgenommen und an Frankreich ausgeliefert. Bei ersten Verhören, noch vor seiner Auslieferung, hatte Fofana erklärt: "Ich wollte einen Juden entführen, weil diese Gemeinschaft Geld hat und zusammenhält. Das Lösegeld hätte diese mächtige Diaspora leicht aufbringen können." Gemäß dieser Maxime war Fofana mit seinen Geldforderungen bei einem x-beliebigen Rabbiner telefonisch vorstellig geworden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Halimis Familie doch nicht reich war.
Während seiner Gefangenschaft wurde Halimi immer wieder von Entführern schwer misshandelt, weil diese, wie aus Verhörprotokollen hervorgeht, "Juden nicht mochten". Die 22-köpfige Tätergruppe bestand zum Großteil aus jungen franko-arabischen und franko-afrikanischen Moslems (wie Fofana) beziehungsweise zum Islam konvertierten Jugendlichen aus (christlichen) Familien, die von den französischen Karibik-Inseln stammen.
Dieses Verbrechen löste zwar eine Welle öffentlicher Entrüstung aus. In Paris und am Tatort nahmen auch Nord- und Schwarzafrikaner sowie moslemische Würdenträger an Trauermärschen teil. Gleichzeitig kam es aber wieder zu einem Anstieg gewaltsamer Übergriffe gegen Juden in Vorstädten seitens junger Schwarzer, so als hätte die Ermordung Halimis eine perverse Beispielwirkung. Vereinzelt tauchten sogar Plakate auf, die zu Geldspenden für Fofana, nach dessen Auslieferung nach Frankreich, aufriefen.
Eine kleine, aber militante schwarze Separatistenbewegung, "Tribu Ka" (wörtlich: der Stamm der Ka), ging noch einen - gefährlichen Schritt - weiter: annähernd 50 ihrer Aktivisten marschierten in geschlossener Formation und mit Drohgebärden an einem strahlenden Sonntagnachmittag im Mai 2006 durch die Rue des Rosiers. Die schmale Gasse im Herzen des ältesten jüdischen Viertels von Paris war zu diesem Zeitpunkt voll von gemütlich flanierenden Familien und Urlaubern, die von dem aggressiven Durchzug überrascht wurden. Als Vorwand für den Aufmarsch dienten Gerüchte, wonach bei einer ersten jüdischen Trauerkundgebung nach der Ermordung von Halimi ein schwarzer Passant von Anhängern der rechten jüdischen Jugendbewegung "Betar" geschlagen worden sei. Außerdem drohte die "Tribu Ka", sie werde an Rabbinern Vergeltung üben, sollten Juden "auch nur ein einziges Härchen von Youssouf Fofana krümmen".
Innenminister Nicolas Sarkozy bezeichnete anderntags die "Tribu Ka" als potentielle "Pogromisten" und leitete ein Verbotsverfahren ein. So verworren ihre Ideologie auch erscheinen mag (ihr Führer predigt die "Überlegenheit der Dunkelhäutigen") und so gering auch ihre Mitgliederzahl sein dürfte, so sehr entspricht doch ihr martialisches Auftreten gegenüber Juden der Gefühlslage eines weitaus breiteren Teils der franko-afrikanischen und franko-karibischen Jugend.
Im Rückblick erscheint die Ermordung Halimis als eine ziemlich logische Folge der vorangegangenen Bestrebungen, die diversen antijüdischen Klischees im Milieu der benachteiligten Migrantenfamilien zu einer gefährlich-geläufigen "Weltanschauung" zu bündeln. In Frankreich gingen diese Bestrebungen zwar nur von marginalen politischen und religiösen Kreisen aus, sie fanden aber in der Person des - ursprünglich - populärsten schwarzen Komikers des Landes ein charismatisches Sprachrohr und konnten sich auf eine, auch nach Europa ausstrahlende, mächtige Propaganda-Maschinerie in den moslemischen Ländern stützen, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll.
Holocaust-Gedenken statt Aufarbeitung von Kolonialismus und Sklaverei?
In den vergangenen zwanzig Jahren hatte es in Frankreich eine erneuerte, ganz besonders gründliche Beschäftigung mit dem Holocaust und der französischen Beteiligung an der Judenverfolgung unter dem Kollaborationsregime von Philippe Pétain gegeben. Diese Aufarbeitung fand breiten Niederschlag an den Schulen und in den Medien. Jacques Chirac hatte unmittelbar nach seinem Amtsantritt als Staatschef, im Juli 1995, die aktive Mithilfe des französischen Behördenapparats bei der Deportation der Juden aus Frankreich in die Vernichtungslager der deutschen NS-Okkupanten gegeißelt (wozu sich sein Vorgänger, der Sozialist François Mitterrand, niemals durchringen konnte). Chirac sprach diesbezüglich von einer "untilgbaren Schuld" Frankreichs.
Endlich, kann man nur sagen. Endlich haben zumindest in Westeuropa die Meinungsträger und Regierenden den Holocaust in seiner vollen Dimension zur Kenntnis genommen und zum Angelpunkt eines neuen europäischen Selbstverständnis gemacht. Aber genau diese Wucht und Gründlichkeit, mit der etwa in Frankreich der sechzigste Jahrestag der Befreiung von Auschwitz begangen wurde, haben Reaktionen bei Bevölkerungsteilen hervorgerufen, die mit diesem historischen Kapitel in keiner Weise direkt verbunden sind. Ein Teil der Jugendlichen aus Familien, die aus Frankreichs ehemaligen Kolonien in Nord- und Schwarzafrika oder aus den noch immer französisch verwalteten Karibik-Inseln stammen, reagiert auf die öffentliche Erörterung des Holocausts mit Fragen nach der Verfolgungsgeschichte der eigenen Familien, was als höchst legitim erscheint, teilweise aber auch mit Neid und Hass auf die jüdische Minderheit.
Die Beschäftigung mit der Geschichte des Kolonialismus und der Sklaverei erhält zusätzliche Brisanz durch die häufige Diskriminierung, die Jugendliche aus arabischen oder schwarzafrikanischen Familien gegenwärtig erleiden, sei es auf dem Arbeitsmarkt, bei den beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten, bei der Wohnungssuche oder im Freizeitbereich, etwa bei Diskobesuchen.
Gegen diese Diskriminierungen haben sich Präsident Chirac und etliche weitere Entscheidungsträger zumindest verbal immer wieder engagiert. Es gibt Gesetze gegen Diskriminierung und Kampagnen gegen Ausgrenzung und Rassismus. Dieser öffentliche Diskurs greift aber in der gesellschaftlichen Realität nur ansatzweise und viel zu langsam. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind denkbar ungünstig: fast ein Viertel der (in keinem Ausbildungsverhältnis stehenden) Jugendlichen sind ohne Job. Damit verzeichnet Frankreich eine der höchsten Jugendarbeitslosenraten der EU. Bei Jugendlichen aus Migrantenfamilien ist diese Rate fast doppelt so hoch. Die Wut der dermaßen ausgegrenzten Jugendlichen entlud sich im November 2005 in wochenlangen brachialen Unruhen in Frankreichs Vorstadt-Gürteln.
Was aber hat das alles im Besonderen mit den Juden zu tun? Wohl nichts.
Bei Teilen der Jugendlichen aus Migrantenfamilien hat sich aber trotzdem, wider alle Vernunft, die Vorstellung verbreitet, ihre Probleme und das Unrecht, das ihren Vorfahren widerfahren ist, würde man nicht genügend zur Kenntnis nehmen, weil die Juden eine "Monopolstellung" als Opfer erlangt hätten. Der Essayist Alain Finkielkraut hat treffend formuliert: "Der Vorwurf des Neo-Antisemitismus an die Juden lautet, sie wären in allem Kapitalisten und jetzt auch besonders im Bezug auf das menschliche Leid."
Die Juden, so lautet der aktualisierte Mythos, hätten alle Macht in ihren Händen und würden diese gezielt nutzen, um Arabern und Afrikanern den Weg nach oben zu versperren und um sie an ihrer eigenen Geschichtsaufarbeitung zu hindern.
Der "Komiker" Dieudonné M'Bala M'Bala
Das klingt abstrus. Aber genau diese Vorstellung bestärkt in Frankreich der beliebte schwarze Komiker und Bühnenautor Dieudonné M'Bala M'Bala. Der Sohn eines Vaters aus Kamerun und einer Mutter aus der Bretagne, der für einen bedeutenden Teil der franko-afrikanischen und franko-karibischen Bevölkerung, und inzwischen auch für viele Franko-Araber, zu einer Art Bannerträger geworden ist, suggeriert dies bei seinen gut besuchten One-Man-Shows: Die Juden würden den Schwarzen den Weg zur Anerkennung ihrer Leidensgeschichte und Erlangung ihrer Gleichberechtigung verstellen. Das kommt, unter anderem, in vorgeblichen Witzen über die Bühne, also wenn er etwa den zuvor erwähnten Essayisten Alain Finkielkraut als durchgedrehten jüdischen Professor persifliert, der so nebenbei die Sklaverei wieder herbeiwünschen würde.
Das ist besonders infam, weil die meisten Intellektuellen und Persönlichkeiten im Kulturbereich, die aus jüdischen Familien stammen, sich seit Jahrzehnten gegen rassistische Diskriminierungen engagiert hatten. Die Antirassismus-Vereine, die vielfach von Juden mitgegründet worden waren, widmeten sich in den 1970er und 1980er Jahren fast ausschließlich der Bekämpfung des anti-arabischen und anti-schwarzen Rassismus. Holocaust und Antisemitismus spielten im Auftreten dieser Bewegungen eine eher untergeordnete Rolle. Im Gegensatz zu heute waren ja damals antijüdische Übergriffe eine Seltenheit, während sie heute zwei Drittel aller Taten ausmachen, die von den französischen Behörden als "rassistisch" eingestuft werden.
Der Verweis auf den Holocaust diente in den 1980er Jahren allenfalls dazu, die damals aufstrebende "Front national" des Rechtsaußen-Tribuns Jean-Marie Le Pen, etwas versimpelt, als Erbin der französischen Nazi-Kollaboration zu ächten und ihr die Aufnahme in das Spektrum der demokratisch akzeptablen Parteien zu verwehren. Le Pen hatte zu Beginn seiner ersten Erfolgsphase um einen (anti-arabischen) Schulterschluss mit den Vertretern jüdischer Gemeinden gebuhlt, war aber stets abgewiesen worden. Daraufhin und genau in dem zuvor geschilderten Argumentations-Zusammenhang ("Front national" = Nazi-Kollaborateure) richtete Le Pen eine Zeitlang seine namentlichen Attacken hauptsächlich gegen jüdische Persönlichkeiten.
Die Beschäftigung mit dem Holocaust versperrte also nicht die Sicht auf die Probleme der arabischen oder schwarzen Bevölkerung. Im Gegenteil: die meisten Personen, die sich mit dem Holocaust auseinandersetzten, waren oder wurden zu Gegnern des Rassismus. Und es ist wohl nie vorgekommen, dass Juden, in Gedenken an den Holocaust, die Erforschung und Anprangerung etwa der Sklaverei behindert hätten, wie das M'Bala M'Bala explizit behauptet.
Besonderes Aufsehen errang M'Bala M'Bala im Dezember 2003 als Stargast einer populären TV-Talkshow: während die Zahl der antijüdischen Übergriffe in Frankreich einen neuen Höhepunkt erreichte, trat er verkleidet als orthodoxer Jude auf, der eine Maschinenpistole umgeschnallt hatte und "Isra-Heil" rief. Knapp zuvor hatte er in einem Interview in der Webpublikation "Blackmap.com" bekannt: "Ich denke, die jüdische Lobby hasst die Schwarzen. Weil der Schwarze im kollektiven Unterbewusstsein das Leiden verkörpert, erträgt diese Lobby das nicht, weil das ihr Business ist. Jetzt genügt es, den Hemdsärmel hochzukrempeln, um seine Nummer herzuzeigen, und schon hat man ein Anrecht auf Anerkennung".
Als daraufhin eine Gruppe jüdischer Aktivisten eine seiner Shows zu stören versuchte, erklärte M'Bala M'Bala in einem Interview im Februar 2004 im Massenblatt "Journal du Dimanche": "Das sind alles Sklavenhändler, die sich jetzt aufs Bankenwesen, das Show-Business und den Terrorismus eines Ariel Sharon verlegt haben".
Am 29. Dezember 2004 feierte M'Bala M'Bala mit der letzten Darbietung seiner Show "Mes excuses" (Meine Entschuldigungen) einen Triumph. Der "Zenith", eine der größten Pariser Konzert-Hallen, war mit über 5000 Besuchern zum Bersten gefüllt. Immer wieder von dröhnendem Gelächter und anhaltendem Applaus unterbrochen, präsentierte sich M'Bala M'Bala als Opfer hinterhältiger Angriffe, für die er das "auserwählte Volk" und "die Zionisten" verantwortlich machte. Zum Abschluss gratulierten ihm der Judo-Champion Djamel Bourras ("Ich danke Dieudonné, er ist ein freier Mann. Es gibt gewisse Mächte, die uns Böses antun wollen") und der ebenfalls besonders populäre franko-marokkanische Komiker und Filmstar Djamel Debouzze ("Dieudonné sagt laut, was wir alle denken"). Die Journalistin Anne-Sophie Mercier, ursprünglich ein Fan des Komikers, bezeichnete in einem Enthüllungsband über M'Bala M'Bala (1) dieses Spektakel als "die größte antisemitische Versammlung in Paris seit 60 Jahren" (in Anspielung auf die antijüdischen Massenkundgebungen unter dem Kollaborationsregime von Philippe Pétain).
In der Folge unternahm er intensive Bemühungen um einen Schulterschluss mit islamischen Fundamentalisten (obwohl er sich gleichzeitig als Gegner "aller Religionen" präsentierte) und dem radikalsten Flügel des arabischen Nationalismus. Im Februar 2005 hatte er bejubelte Auftritte in Algier, ein Großteil der algerischen Presse feierte ihn als ein "Opfer der Zionisten". Bei seinen Bühnenauftritten verglich er sich mit Jesus, weil doch dieser von "derselben Lobby" verfolgt worden sei. Auf einer abschließenden Pressekonferenz in Algier bezeichnete er die öffentliche Beschäftigung mit dem Holocaust in Frankreich als "memorielle Pornographie".
In einem Gespräch, das der franko-arabische Radiosender in Paris, "Beur FM", im März 2005 ausstrahlte, verriet M'Bala M'Bala, er habe die Seiten, die sich mit dem Holocaust beschäftigen, aus den Schulbüchern seiner Kinder "herausgerissen". Daraufhin äußerten erstmals prominente schwarze Intellektuelle Ablehnung gegenüber Dieudonné M'Bala M'Bala. Die meisten französischen Medien traten ihm vehement entgegen.
Dieudonné schwenkt zu Le Pen, Hooligans funken dazwischen
Allerdings erntete M'Bala M'Bala öffentlichen Zuspruch von Seiten des Vizechefs der "Front national", Bruno Gollnisch. Dieser enge Vertraute von Le Pen hatte die Existenz der Gaskammern in den NS-Vernichtungslagern angezweifelt und musste sich dafür vor Gericht verantworten.
Bereits 2004 hatte sich M'Bala M'Bala auch direkt in die politische Arena als Gründer der Bewegung "Euro-Palestine" begeben. Diese Bewegung vereinigte einen Teil der französischen Palästina-Solidaritätskomitees und kandidierte als eigene Liste bei den EU-Wahlen in der Region um Paris. Insgesamt erhielt sie nur 1,83 Prozent der Stimmen, in einigen Siedlungen mit hohem franko-arabischen Bevölkerungsanteil kletterte sie aber auf bis zu zehn Prozent Wähleranteil.
Bei der Wahl der drei wichtigsten schwarzen Persönlichkeiten, die eine Net-Publikation schwarzer Aktivisten ("Africa-Maat.com") im März 2005 organisierte, erlangte Dieudonné M'Bala M'Bala mit 8000 Stimmen den Spitzenplatz. Seine Kampagne für eine von ihm beabsichtigte eigene Kandidatur bei den französischen Präsidentenwahlen 2007 scheiterte aber bereits im Vorlauf.
Als Trost für diesen Rückschlag und um medial weiter präsent zu bleiben, vollzog M'Bala M'Bala einen Schwenk zu Jean-Marie Le Pen. Dem alljährlichen Parteifest der "Front national" am Pariser Stadtrand im November 2006 (bei dem übrigens auch NPD und FPÖ vertreten waren) erstattete M'Bala M'Bala einen ebenso überraschenden wie spektakulären Besuch. Bei einer kurzen Begegnung, die den Anschein der Zufälligkeit hatte, aber, wie sich später herausstellte, beidseitig wohl vorbereitet war, reichten sich Le Pen und M'Bala M'Bala die Hand. "Ich bin entzückt Sie hier zu sehen," säuselte ein strahlender Le Pen und erläuterte später: "Wenn Dieudonné hergekommen ist, dann wohl weil er uns gar nicht so fern steht. Wenn mir eine Stimme fehlen sollte, um gewählt zu werden, wäre ich sehr zufrieden, wenn die Stimme von Dieudonné käme."
Eine Umfrage bescheinigte Le Pen im November 2006 einen potentiellen Wählerstand von 17 Prozent - also genau so viel wie bei den Präsidentenwahlen 2002, als der Rechtstribun ein Politerdbeben auslöste, indem er im ersten Wahlgang den sozialistischen Kandidaten und Premier Lionel Jospin knapp übertraf und in die Stichwahl gegen Jacques Chirac gelangte. Bei einer weiteren Umfrage im Dezember 2006 erklärten sich gar 26 Prozent "einverstanden mit den Ideen von Jean-Marie Le Pen" - ebenfalls ein Rekord.
Nicht unerheblich dabei ist der Umstand, dass der Beraterstab des Rechtstribuns sich neuerdings bemüht, auch Jungwähler aus arabischen, afrikanischen und franko-karibischen Familien zu ködern. Dazu wurde sogar ein Wahlplakat gestaltet, auf der eine junge Schwarze für Le Pen wirbt.
"Le Pen reicht den Franzosen ausländischer und vor allem afrikanischer Abstammung die Hand", versicherte seinerseits M'Bala M'Bala. Er rufe zwar "noch nicht dazu auf, Le Pen zu wählen", man müsse aber "aufhören, diesen Mann zu verteufeln." Und: "Wenn Le Pen nach links geht, wie es den Anschein hat, sehe ich nicht ein, weshalb ich ihm nicht folgen sollte."
Eine Wende hin zu Le Pen vollzog knapp darauf auch Ahmed Moualek, ein franko-arabischer Vertrauter von M'Bala M'Bala, der als Chef einer nicht unbedeutenden Internet-Publikation ("La banlieue s'exprime", sinngemäß: Die Vororte melden sich zu Wort) über einen gewissen Einfluss unter Jugendlichen aus Migrantenfamilien und in der Vororte-Szene verfügt. In einem Interview in der rechtsradikalen Zeitung "Minute" erklärte Moualek: Es sei "vorteilhafter mit einem klugen Rassisten als mit einem idiotischen Antirassisten zu diskutieren. Und Le Pen ist weder ein Idiot noch ein Rassist … Er ist ehrlich".
Der eigentliche gemeinsame Nenner zwischen diesen Hetzern und dem Kern ihrer jeweiligen Anhängerschaft ist ihr mehr oder weniger eingestandener Judenhass. Diese Art von unterschwellig antijüdischem Brückenschlag könnte freilich durch einen dramatischen Vorfall Ende 2006 auf Seiten der schwarzen Bevölkerung Frankreichs in Verruf geraten sein.
Bei einem Fußballmatch in Paris, im November 2006, zwischen der Pariser Mannschaft PSG und der "Hapoel" aus Tel Aviv bezwangen die Israelis mit 4 zu 2 die Gastgeber. Nach Ende des Spiels provozierten und schlugen hunderte Pariser Hooligans vereinzelte jüdische Zuschauer. Ein jüdischer Jugendlicher, der von dutzenden Hooligans verfolgt worden war, konnte sich dank des Einsatzes eines - schwarzen - Polizisten retten. Der ebenfalls isolierte und in Zivilkleidung auftretende Polizist hatte erst versucht die Meute mit einer Tränengasbombe in Schach zu halten, war aber zu Boden gestürzt und gab schließlich mit seiner Dienstwaffe einen Schuss ab: ein Angreifer starb, ein weiterer wurde verletzt. Die Menge hatte anfänglich "Dreckiger Jude" gegrölt, war aber bei Anblick des schwarzen Polizisten auf Rufe wie "Dreckiger Neger", "Le Pen Präsident" und "Frankreich den Franzosen" umgesattelt.
Der Vorfall, der die französische Öffentlichkeit schwer erschütterte, rückte die rechtsextrem infizierte Pariser Hooligan-Szene ins Rampenlicht. Diese hatte seit Jahren schwarze Spieler mit nachgeahmten Affenlauten geschmäht und immer wieder nach Spielschluss schwarze und manchmal auch arabische Passanten tätlich angegriffen. Erst Anfang November waren zwei PSG-Fans zu unbedingten Haftstrafen verurteilt worden, weil sie anlässlich eines Auswärtsspiels in der Stadt Le Mans einen Franko-Senegalesen schwer misshandelt hatten.
Juden in Migrantenvierteln: eine Minderheit in der Minderheit
M'Bala M'Bala hat freilich etwas geortet und weitervermittelt, das bei einem Teil der Jugendlichen in den Vorstädten durchaus Schule macht: Man kann enormes mediales Aufsehen erregen und heftigste politische Reaktionen auslösen, wenn man auf Juden losgeht, weil man da einen höchst sensiblen Nerv der französischen Mehrheitsgesellschaft trifft.
Die Vorstellung ist nun mal verlockend, jemanden, einen Gegner, eine Gruppe, einen Klan dingfest zu machen, dem man einerseits eine großartige Macht unterstellen kann, von dem man aber insgeheim weiß, dass er sich in einer potentiellen Schwächeposition befindet.
Der erste Faktor für diese Schwächeposition ist rein statistischer Natur: Verhältnismäßig viele Juden wohnen und arbeiten zwar noch immer in Randvierteln und Vorstädten, sie sind also direkt greifbar, sie befinden sich aber gleichzeitig in einer hoffnungslosen Unterlegenheit, weil sie heute, im Gegensatz etwa zu den 1970er Jahren, in diesen Vierteln eine isolierte Minderheit darstellen. Ein Teil der jüngeren jüdischen Generationen (ebenso wie ein Teil der jüngeren Moslems) sind beruflich aufgestiegen und weggezogen. Diejenigen, die in den städtischen Randzonen übrig geblieben sind, fallen also quantitativ kaum mehr ins Gewicht angesichts der sie umgebenden, zum Teil neu eingewanderten Mehrheit moslemischer Familien. An diesen Mehrheitsverhältnissen wird sich auch kaum mehr etwas ändern, zumal der allergrößte Teil der Juden aus dem Maghreb bereits ausgewandert ist.
Neben diesem ersten, direkten Grund für die Hilflosigkeit dieser Juden, der Handgreiflichkeiten gegen sie so verlockend macht, gibt es noch einen zweiten, unterschwelligeren und diffuseren Faktor: Auch zu einem Teil der Migrantenjugend ist durchgesickert, dass in den christlichen Gesellschaften eine lange Tradition des Judenhasses vor nicht allzu langer Zeit erst, auf öffentlicher Ebene, abgelegt wurde, dass aber dieser Hass noch bei so manchem Europäer, zumindest auf Sparflamme, weiterschwelt. Dass also die Duldung der Juden auf doch nicht so festem Fundament fußt. Das lässt die Hoffnung keimen, man könnte da gegen einen jüdischen Sündenbock einen Schulterschluss mit der französischen Mehrheitsgesellschaft zustande bringen.
Vor allem aber hat in der informellen Parallelkultur der Vorstadtjugend der Slangbegriff für Juden, das Wort "Feuj", das ursprünglich eher als wertfreie Bezeichnung galt, in den allerletzten Jahren eine tendenziell negative Bedeutungsaufladung erfahren. Wenn in einer Schulklasse jemand seinen Stift oder sein Heft nicht herleihen möchte oder wenn er angibt, sagen Kinder: "Der führt sich auf wie ein Feuj". Die Juden werden also wieder als geizig, egoistisch, machtgierig, anmaßend etikettiert.
Diese Vorwürfe an eine Minderheit, der man den Ausbruch aus ihrer untergeordneten Position nicht gestatten möchte, diese Klischees, die gleichermaßen aus dem christlichen und islamischen Fundus stammen, sind in der Subkultur eines Teils der Vorstadtjugend in Frankreich wieder aufgetaucht und untereinander verschmolzen.
Klarerweise wurden diese altneuen Klischees im Rahmen des Nahost-Konflikts massiv aktiviert. Arabische Fernsehstationen, darunter auch jene Sender, die in ihrer Berichterstattung den Staat Israel im Besonderen und die Juden im Allgemeinen als Grundübel der Menschheit darstellen, erreichen auch in Frankreich ein breites Publikum unter den Migrantenfamilien. Da werden die hirnrissigsten antijüdischen Verleumdungen aufgetischt, die man in Europa sonst wohl kaum noch hört: Israelische Soldaten würden arabische Kinder töten, um ihr Blut für jüdische Festtags-Rituale zu verwenden. Jüdische Ärzte hätten AIDS erfunden, um die arabischen Völker damit zu infizieren. Israelische Atomversuche hätten den Tsunami ausgelöst. Religiöse Prediger bezeichnen Juden (und gelegentlich auch Christen) als Abkömmlinge von Schweinen und Affen …
Meistens laufen die blutrünstigsten antijüdischen Serien während des Fastenmonats Ramadan. Also während die religiöse Inbrunst ihren Höhepunkt erreicht und die moslemischen Familien oft vollzählig vor den TV-Schirmen versammelt sind. Das erinnert an die christlichen Osterzeremonien, also das Gedenken an die Kreuzigung von Jesus, die in Europa immer wieder Anlass für Gewalttaten gegen Juden boten. Der Zusammenhang ist auch insofern gegeben, als diese Filme arabischer TV-Sender fast immer auch Elemente aus dem christlichen Antijudaismus verarbeiten.
Das klingt oft viel zu absurd, um ernst genommen zu werden. Man muss freilich berücksichtigen, dass sich die Verteufelung der jüdischen Minderheit oder zumindest die Verachtung der Juden als nicht rechtgläubige Außenseiter auf eine lange und tief verankerte Tradition im islamischen Raum stützt. Genauso wie im Fall des christlichen Anti-Judaismus, der ja erst nach dem Holocaust in Europa von der öffentlichen Bühne abtrat. Im islamischen Raum konnte diese Tradition hingegen ungebrochen fortbestehen, ja sie erfuhr durch den Konflikt mit dem Zionismus um Palästina eine ungeahnte Bedeutungsaufladung und ständig neuen Auftrieb.
Dass heißt nicht, dass der Islam ausschließlich Feindschaft gegenüber dem Judentum predigt. Der Koran und die übrigen islamischen Grundtexte bieten verschiedene Möglichkeiten der Auslegung: es gibt Passagen und Regeln, die zu einer toleranten Haltung gegenüber Juden und Christen drängen. Und es gibt Passagen, die Christen und Juden in einem extrem negativen Licht erscheinen lassen und jede Form der Freundschaft mit ihnen ausschließen. Wie bei den meisten religiösen Überlieferungen kann sich jeder Prediger oder Politiker, oft sind sie ja beides, die Zitate und Interpretationen aussuchen, die ihm bei seiner jeweiligen Orientierung zupasskommen.
Moslemische Familien, die aus dem Maghreb nach Frankreich eingewandert sind, haben judenfeindliche Überlieferungen an ihre Kinder weitergereicht. Dazu kommt nunmehr der wachsende Einfluss fundamentalistischer Prediger und Gruppen, die die antijüdische Schlagseite des Islams hervorstreichen und mit dem aktuellen Nahost-Konflikt, ja sogar mit den sozialen Spannungen in Europa geschickt vermengen. Dabei werden wiederum aus der Mottenkiste des christlich inspirierten und europäischen Antijudaismus Schlagwörter wie "jüdischer Kapitalismus" oder "jüdische Finanzmacht" hervorgeholt.
Die Verschärfung der Kluft zwischen den sozialen Schichten, das schrumpfende Angebot existenzsichernder Arbeitplätze, die zunehmend prekären Anstellungsverhältnisse und die damit einhergehende Ausgrenzung der Jugendlichen aus Migrantenfamilien haben generell in Westeuropa das Terrain für eine religiös inspirierte, ethno-soziale Abkapselung bereitet. Das gilt im Besonderen für Frankreich, das jetzt schon seit über zwei Jahrzehnten an einer Arbeitslosenrate von - offiziell - annähernd zehn Prozent krankt und wo inzwischen etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung in sub-urbanen Armutsgürteln festsitzt.
Dass Jugendliche aus Migrantenfamilien angesichts ihrer existentiellen Perspektivlosigkeit und ihrer anhaltenden Diskriminierung in religiösen Gruppen Halt suchen, liegt auf der Hand. Auch hat ein beträchtlicher Teil der moslemischen Prediger, die auf europäischen Boden tätig sind, die durchwegs fundamentalistischen Kaderschmieden Saudi-Arabiens und Pakistans absolviert. Mit dieser Feststellung soll freilich nicht unterschlagen werden, dass verschiedenste moslemische Strömungen, wenn auch in sehr unterschiedlichem Ausmaß, zu einer aufgeklärten Form von Religiosität neigen und eine Verbindung zwischen demokratischer Toleranz und einem erneuertem Euro-Islam suchen. Bei diesen moslemischen Kräften ist ein mehr oder weniger artikuliertes Unbehagen angesichts antijüdischer Hetze durchaus vorhanden.
Teilweise reagieren liberale moslemische Kreise aber auch mit Unbehagen auf die zuvor beschriebene, sehr gründliche Auseinandersetzung der französischen Öffentlichkeit mit der Verfolgung der Juden unter dem Kollaborationsregime und mit dem Holocaust. Befürchten sie doch, dass das damit einhergehende Mitgefühl für das Schicksal der Juden letztlich das Verständnis für Israel wieder erhöhen könnte - eine moralische Zwickmühle, die die meisten Franko-Araber tendenziell überfordert. Bei jenen Moslems, die keine ausreichende historische Kenntnisse und/oder Skrupel haben, finden die gängigen Bestrebungen arabischer Medien, das Ausmaß oder gar die Realität der NS-Vernichtungspolitik zu negieren, umso dankbarere Aufnahme. Eben weil auch sie erkannt haben, wie sehr die Legitimität des jüdischen Staats in der Erfahrung des Holocausts begründet liegt.
Die Vorgeschichte im Maghreb: eine Geschichte der Gegensätze
Die heutigen Beziehungen zwischen Juden und Moslems in Frankreich werden auch durch deren gemeinsame und gleichzeitig konträre Vorgeschichte in Nordafrika mitbestimmt. Um die Problematik vereinfacht auszudrücken (trotz etlicher Ausnahmen): Die Moslems aus Nordafrika, die Frankreichs Kolonialherrschaft erlitten haben, betrachten die Palästinenser unter israelischer Herrschaft als Schicksalsgenossen. Das Los der Palästinenser erscheint den moslemischen Maghrebinern als Wiederholung ihrer eigenen Geschichte. Die Juden aus Nordafrika empfinden die heutigen Spannungen und das Mobbing, das sie in Frankreich teilweise erleiden, auch als eine schmerzhafte Erinnerung an eine Situation, der sie entkommen wollten.
Viele Juden verließen ihre Heimatländer unter dramatischen Umständen, in den 1950er und 1960er Jahren, als diese französischen Kolonien ihre Unabhängigkeit erlangten und sich als islamische Staaten definierten. Manchmal kam es zu Gewaltakten gegen Juden, manchmal war es eher ein Klima latenten Hasses und gelegentlicher Drohungen. Aber den meisten Juden wurde früher oder später klar, dass sie weg mussten, wenn sie in Sicherheit leben wollten, wenn sie auf Gleichberechtigung und religiöse Toleranz Wert legten.
Juden gab es im Maghreb seit etwa 2500 Jahren, also noch vor der Ankunft des Islams. Erste jüdische Migrationsströme gelangten aus dem Nahen Osten nach Nordwestafrika. Ein Teil der autochthonen Berberbevölkerung konvertierte zum Judentum; schließlich kamen zwischen dem 14. und 16.Jahrhundert Juden von der iberischen Halbinsel hinzu, die aus dem katholischen Spanien vertrieben worden waren.
Während der tausendjährigen islamischen Ära bis zur Ankunft der europäischen Kolonialmächte standen die Juden zwar zeitweilig unter dem Schutz von örtlichen Herrschern, wenn diese ihnen wohlgesinnt waren; sie konnten aber genauso der Willkür und dem Hass zum Opfer fallen.
Zieht man die grundsätzlichen islamischen Rechtsregeln in Betracht, war der Status der Juden (und der übrigen tolerierten religiösen Minderheiten) demütigend und gefährlich (2): Wurde ein Jude von einem Moslem tätlich angegriffen, durfte er sich nicht wehren, sondern nur um Nachsicht flehen. Die Ermordung eines Juden (durch einen Moslem) wog unvergleichlich geringer als die Ermordung eines Moslems (durch einen Moslem). Vor Gericht konnte ein Jude einer Beschuldigung durch einen Moslem theoretisch nichts entgegenhalten, zumal die Aussage des Juden durch die Aussage des Moslems formalrechtlich annulliert wurde. Auf Geschlechtsverkehr mit einer Moslemin oder Blasphemie gegen den Islam stand die Todesstrafe. Bei jedem Streit mit einem Moslem konnte dieser behaupten, der betreffende Jude hätte über Gott oder seinen Propheten gelästert oder einer Moslemin nachgestellt. Unter diesem Vorwurf wurden auch immer wieder Juden hingerichtet oder von der Menge erschlagen.
Sie durften keine Waffen tragen und weder zu Pferde noch auf Kamelen reiten. Das bedeutete weitgehende Hilflosigkeit in jenen Regionen, in denen die Blutrache als Abschreckung wirkte. Dazu kam, je nach politischer Phase und Region, die mehr oder weniger scharfe Anwendung von detaillierten Ächtungsmaßnahmen. So durften Juden zwar Eseln oder Maultiere satteln, aber, beispielsweise in Marokko, nur seitlich, so wie es Frauen taten. Trafen sie auf einen Moslem, mussten sie absteigen und zu Fuß gehen. Kam ihnen ein Moslem zu Fuß entgegen, mussten sie ihm unverzüglich den Weg freimachen. Sie hatten schnell zu gehen, auf der linken Straßenseite, die als unrein galt. Sie waren aufgefordert, in Anwesenheit von Moslems eine bescheidene Haltung einzunehmen und die Augen zu senken. Sie mussten den Moslems etwaige Sitzplätze überlassen.
Sie mussten häufig ein kreisförmiges gelbes Stoffstückchen und spezifische - blaue oder gelbe - Kleider tragen, die sie von den Moslems unterschieden und, so wie in Europa, auch meistens der Lächerlichkeit preisgaben. Wiederum in Marokko (und im Jemen) mussten sie außerhalb des ihnen zugewiesenen Viertels barfuss gehen. Sie hatten bei städtischen Bauarbeiten Frondienst zu leisten, sie waren zur Reinigung der städtischen Latrinen verpflichtet, sie mussten als Totengräber und Henker fungieren.
Sie hatten eine hohe Kopfsteuer zu zahlen und wurden stellenweise, so wie im christlichen Europa, in den Geldverleih abgedrängt, der den Moslems verboten war. Die Juden, die unter den Berberstämmen in den ländlichen Gegenden Marokkos und Libyens lebten, waren Leibeigene der Stammesfürsten. Sie mussten die als unrein geltenden Handwerke wie etwa das Schmiedewesen ausüben. In der islamischen Stammesgesellschaft des Jemen war es noch in den 1950er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts stellenweise üblich, dass ein Stamm die Ermordung eines ihm "gehörenden" Juden durch einen Moslem aus einem anderen Stamm damit ahndete, dass er seinerseits einen Juden aus dem Besitzstand des anderen Stammes tötete. So eine Vendetta zwischen zwei Stämmen, bei der jeweils nur Juden ermordet wurden, konnte über Generationen andauern.
Auch wenn so manches aus einer spezifischen Mischung zwischen örtlichen, tribalen Traditionen und Islam entsprang, kommt man doch nicht umhin, die meisten der oben beschriebenen Gängelungsmaßnahmen gegenüber den Juden auf jene Rechtsgrundsätze zurückzuführen, die von den Gründervätern der wichtigsten moslemischen Glaubensschulen im achten und neunten Jahrhundert festgeschrieben worden waren. Rechtsgrundsätze, die auch noch heute für etliche moslemische Gelehrte zumindest theoretische Gültigkeit haben.
Diese Grundsätze waren Ausfluss der islamisch-arabischen Expansion des siebenten Jahrhunderts. Sie regelten den Status der eroberten ethnischen und religiösen Gruppen. Für Juden und Christen sowie weitere vereinzelte religiöse Gruppen galt die Einstufung als "Leute der Schrift" (also Anhänger des ersten, alt- und neutestamentarischen Teils der göttlichen Offenbarung, auch wenn, aus der Sicht des Islams, Juden und Christen diesen ersten Teil missverstanden beziehungsweise entstellt hätten). Im Gegensatz zu den übrigen, hauptsächlich polytheistischen Religionsgruppen wurde den "Leuten der Schrift" ("Ahl al Kitab") das Recht auf Leben und auf ihren Kult zugestanden, was in diesem historischen Kontext ein durchaus bedeutsamer Akt der Toleranz war. Aber in den Genuss dieses Status als "Schutzbefohlener" ("Dhimmi") des herrschenden Islams gelangten nur jene, die sich in eine untergeordnete und demütigende Stellung fügten. Dazu gehörte zuvorderst die Entrichtung einer Kopfsteuer, die als eine Art institutionalisierter Fortschreibung des ursprünglichen Kriegstributs der Besiegten verstanden werden muss. Wer gegen diese Diskriminierung aufbegehrte, hatte theoretisch das Recht auf Schutz und Leben verwirkt - auch wenn, wie bereits angesprochen, in der vielseitigen, breitest gestreuten und Jahrhunderte langen vorkolonialen islamischen Ära dieser Rechtskorpus immer wieder auch zugunsten der religiösen Minderheiten faktisch unterlaufen wurde.
In der Praxis der islamischen Gesellschaften gab es also verschiedenste Anwendungsformen obiger Rechtsgrundsätze. Wie in den christlich-europäischen Gesellschaften wurde die jüdische Minderheit phasen- und stellenweise nicht nur toleriert, sondern auch gefördert. Die jeweiligen Fürsten konnten Juden schützen und favorisieren - aus Toleranz, Sympathie, weil sie ihm wertvolle Dienste leisteten, etwa als Verwalter, Händler, Financiers, Diplomaten, Ärzte, spezialisierte Handwerker, ja in frühen Phasen auch als Schutztruppe. Er konnte sich ihrer vollständigen Loyalität gewiss sein, eben weil sie als eine grundsätzlich entrechtete Minderheit auf sein Wohlwollen in besonderer Weise angewiesen waren. Und dann gab es wiederum Phasen grausamster Verfolgung, wenn sich etwa die Wut der Mehrheitsbevölkerung gegen den betreffenden Fürsten und seine Schützlinge richtete, oder wenn der Fürst seine Politik änderte und sich entschloss, die Minderheit zu opfern und/oder zu plündern - das Schema ist ja hinlänglich bekannt.
Grob betrachtet, folgte im Maghreb auf eine Periode der Toleranz unter dem "klassischen Islam", die sich im Wesentlichen vom 9. bis ins 11. Jahrhundert erstreckte, ein stetes Auf und Ab mehr oder weniger heftiger Verfolgungen und Ausgrenzungsmaßnahmen. Diese erreichten in den letzten 300 Jahren vor der Unterwerfung des Maghreb durch Frankreich (Algerien 1830, Tunesien 1881 und Marokko 1912) einen abermaligen Höhepunkt durch die Häufung von Pogromen und eine stete Verschärfung der Gängelungen im Alltag. Dies galt vornehmlich für Marokko, das am häufigsten von Machtkämpfen und Unruhen heimgesucht wurde, und traf in geringerem Ausmaß auf Algerien, Tunesien und Libyen zu, die im - eher losen - Rahmen des Osmanischen Reichs standen. Gleichzeitig begann sich aber auch die formalrechtliche Diskriminierung der Juden zu lockern, allerdings meistens in Folge des diesbezüglichen Drucks der europäischen Mächte auf die maghrebinischen und osmanischen Herrscher, was wiederum, stellenweise, den Hass der moslemischen Mehrheit gegen die jüdische Minderheit schürte.
Europas expandierende Mächte weckten Emanzipationshoffnungen - eine Parallele zwischen den Juden Nordafrikas und Osteuropas
Logischerweise und ungeachtet obiger Reaktionen der Moslems weckten der zunehmende Einfluss der europäischen Mächte und schließlich die französische Kolonialherrschaft bei vielen Juden Nordafrikas die Hoffnung auf eine Befreiung aus ihrer Bedrückung. Das schlug sich auch darin nieder, dass sich allenthalben Juden aus ihrer gewohnten Unterwürfigkeit zu lösen und auf die üblichen Beleidigungen und Angriffe in völlig überraschender Weise (für die europäischen und maghrebinischen Zeitgenossen) zu reagieren begannen. Genau diese Haltungsänderung der unterworfenen Juden empfanden und empfinden etliche gläubige Moslems als eine "skandalöse Umkehr der von Gott befohlenen Ordnung", wie der Historiker Jacques Taieb, einer der versiertesten Kenner der Geschichte der maghrebinischen Juden, schreibt (3).
Wie sehr die Mentalitätsänderung unter den Juden zu greifen begann, zeigte sich wohl am deutlichsten in den von Pogromen heimgesuchten jüdischen Vierteln Marokkos: zwischen 1894 und 1911 gelang es den Juden in vier Fällen, teilweise mit Schusswaffen ausgerüstet, die angreifenden Pogromisten erfolgreich abzuwehren und ihnen schwere Verluste zuzufügen. 1911 widerstand das Ghetto von Meknes einer dreimonatigen Belagerung durch den Mob und marodierende marokkanische Truppen. Schließlich wurde der Belagerungsring von französischen Truppen unter Anleitung jüdischer Verbindungsmänner gesprengt. In Fez, wo die Juden auf Anweisung französischer Offiziere ihre Gewehre abgegeben hatten, fiel das Ghetto 1912 hingegen einem Massaker zum Opfer. Die Überlebenden verdankten ihr Heil nur dem Erbarmen des Sultans, der den Flüchtenden Schutz im königlichen Zoo bot, während das jüdische Viertel in Flammen aufging.
Bezüglich der Hoffnungen auf den befreienden Einfluss der europäischen Metropolen, die die Juden des Maghreb zum Teil hegten, besteht eine deutliche Parallele zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Mittel- und Osteuropa. Die Juden in Osteuropa, namentlich jene, die im russischen Zarenreich unter zahllosen Beschränkungen und periodischen Gewaltwellen zu leiden hatten, schauten bekanntlich nach Westen, vornehmlich nach Berlin und Wien. Von daher erwarteten sie die Erlösung, die Ankunft der europäischen Aufklärung und Zivilisation.
Diese Hoffnung in den Vormarsch der deutschen Kultur und der deutschen oder österreichischen Verwaltung hielt sich ja unter den Juden Osteuropas, bis dann der Deutschnationalismus einen immer rabiateren Antisemitismus entfaltete. Der Holocaust begrub diese spezifische Form der jüdisch-deutschen oder jüdisch-österreichischen Symbiose.
Bei den Juden Nordafrikas konnte sich der Glaube an die Emanzipationsversprechen durch Frankreich erhalten. Auch wenn die europäischen Siedler, die vielfach einem vehementen christlich geprägten Judenhass anhingen, und später, während des Zweiten Weltkriegs, das Kollaborationsregime von Philippe Pétain die jüdische Minderheit ihrerseits zeitweilig erniedrigten und sogar verfolgten. Aber diese punktuellen Rückschläge verblassten angesichts der positiven Gesamtbilanz der französischen Präsenz für die jüdische Minderheit in Nordafrika und ihrer anschließenden erfolgreichen Integration in Frankreich.
Die Dankbarkeit der meisten Angehörigen der jüdischen Minderheit gegenüber der französischen Republik vergrößerte die Kluft zur moslemischen Mehrheitsbevölkerung, sofern dies überhaupt noch möglich war. Als dann, ab den 1920er und 1930er Jahren des vorigen Jahrhunderts, die Bestrebungen zur Errichtung eines jüdischen Staats in Palästina deutlicher wurden, kam auch noch der Zionismus als Vorwurf von moslemischer Seite hinzu und wurde zu einem weiteren Auslöser antijüdischer Gewalttaten. Im Gegenzug betrachteten viele Juden auch in Nordafrika die zionistische Bewegung mit Sympathie. Nach der Staatsgründung Israels spitzte sich dieser Gegensatz noch mehr zu. Den Juden Nordafrikas wurde somit von der moslemischen Mehrheit sowohl Sympathien für Frankreich als auch für Israel vorgeworfen.
Für die Juden des Maghreb, von denen annähernd 400.000 nach Israel zogen (insgesamt fanden 650.000 Juden aus arabischen Ländern in Israel eine neue Heimat), bedeutete die Gründung eines jüdischen Staats sowohl die Erfüllung einer religiös inspirierten Hoffnung als auch eine Revanche für die Demütigungen, Diskriminierungen, Massaker und Vertreibungen, die sie in der islamischen Welt erlitten hatten. Die Entstehung Israels hatte für sie also durchaus eine ähnliche Bedeutung wie für die Mehrheit der überlebenden europäischen Juden nach dem Holocaust.
Man muss diese Darstellung insofern relativieren, als es in Tunesien und in Marokko, bis in die 1960er Jahre hinein, etliche jüdische Intellektuelle gab, die sich auf Seiten der linken arabischen Nationalisten engagierten und bestrebt waren, am Aufbau unabhängiger arabischer Staaten mit all ihrem Wissen und Können voll teilzunehmen. Der Großteil dieser Personen wurde dann aber auch ins Exil getrieben.
Die komplexen Erfahrungen der jüdischen Einwanderer aus Nordafrika resümiert der aus Marrakesch stammende Rabbiner Michel Serfaty, der eine kleine Gemeinde in der Trabantenstadt Ris-Orangis östlich von Paris leitet.
Serfaty war im Oktober 2003 von einem jungen Franko-Araber auf offener Straße beschimpft worden, er hatte daraufhin den Burschen zur Rede gestellt. Dieser versetzte ihm einen Faustschlag, rannte aber dann schnell davon. Serfaty, ehemals Teamspieler der marokkanischen Basketball-Nationalmannschaft, ist etwa zwei Meter groß und ziemlich breit gebaut, also eine stattliche Erscheinung. Als Spätfolge dieses Vorfalls rief Serfaty, gemeinsam mit moslemischen Persönlichkeiten, eine jüdisch-moslemische Freundschaftsvereinigung ins Leben. Im November 2004 beteiligten sich über 1000 Personen aus beiden konfessionellen Milieus an einer ersten Tagung dieser Vereinigung in Paris. Seither organisiert Serfaty alljährlich im Sommer eine Bus-Tournee der jüdisch-moslemischen Vereinigung durch dutzende Vororte-Siedlungen in ganz Frankreich. Trotz des besonders herzlichen Empfangs, den moslemische Persönlichkeiten und Passanten dem Freundschaftsbus stellenweise bereiten, betrachtet Serfaty die Gesamtsituation weiterhin als beängstigend.
Der heute 64-jährige Serfaty kam erst im Alter von 22 Jahren nach Frankreich. "Ich bin in einer Atmosphäre des ständigen Auf-der-Hut-sein, ja auch der begründeten Angst aufgewachsen", erinnert sich Serfaty: "Wir trauten uns kaum aus unserem jüdischen Viertel in Marrakesch. Wir wussten, dass es Gegenden gab, wo Juden Gefahr liefen, getötet zu werden. Man kann zwar nicht sagen, dass wir direkt vertrieben wurden. Aber als mein kleiner Bruder eines Tages mit blutigem Gesicht heimkam, haben unsere Eltern beschlossen, alles liegen und stehen zu lassen und nach Frankreich zu ziehen. 30 Jahre haben wir an diese Dinge kaum mehr gedacht. Und jetzt ist es wieder soweit, dass ich hier, in Frankreich, bestimmte Viertel meiden muss, dass jüdische Kinder auf der Hut sein müssen. Es ist so, als wären wir um eine Generation zurückgefallen. So, als hätte uns Marokko wieder eingeholt."
(1) ANNE-SOPHIE MERCIER: La vérité sur Dieudonné, Paris 2005.
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(2) Siehe dazu: BAT YE'OR: Le facteur dhimmi dans l'exode des Juifs des pays arabes. In: L'exclusion des Juifs des pays arabes, Pardès 34, Paris 2003.
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(3) In: JACQUES TAIEB: Etre juif au Maghreb à la veille de la colonisation, Paris 1994.
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